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Die Fassade des Liebiegschen Hauses, Naglergasse 1, Graben 20 (1857-59)
auf den Spuren der Entwurfsidee im Spannungsfeld des Schaffens August Sicard von Sicardsburgs, Eduard van der Nülls und Ferdinand Fellners d.Ä.
Martina Ilse Zadrazil
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Walter Krause
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.777
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29591.14295.192460-3
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Arbeit beleuchtet die Fassadenkonzeption des Zinspalais Wien 1, Graben 20 / Naglergasse 1. Vor allem anhand der Schaufront des 1857 durch den Textilunternehmer Johann Liebieg beauftragten Wohnbaus, dessen Fertigstellung mit 1859 datiert, wird die Urheberschaft der Entwurfsidee untersucht. Diese ist gekennzeichnet durch eine besonders ausgewogene, geschossverklammernden Gestaltung, die mit einer intensiven Wechselwirkung zwischen horizontalen und vertikalen Bezugspunkten arbeitet. Zusätzlich zur karyatidengeschmückten Erdgeschosszone und der prominenten, skulptural ausgestatteten Attika trägt die vorwiegend putzquadrierte Wand als außergewöhnliches Merkmal eine die ganze Fassadenbreite des ersten Stocks einnehmende Balkonloggia. Das darüber liegende Stockwerk erhielt erst nach dem Tod des Bauherrn einen hölzernen Ergänzungsanbau zwischen den nach oben fortgesetzten Erkerelementen und das Gebäude somit eine zweite durchgehende Arkadenloggia. Stilistisch lotet die Fassade Verbindungsmöglichkeiten zwischen venezianischen und florentinischen Frührenaissanceformen aus, kombiniert mit einzelnen vegetabilen Motiven rheinländischen Ursprungs. Neben dem Gebäude selbst wurden sowohl das noch vorhandene Planmaterial, als auch die zeitgenössische Literatur, die bisherigen jüngeren Forschungsmeinungen sowie die Ergebnisse der letzten Generalrenovierung der Jahre 2004 und 2005 untersucht. Ausgehend von den erhaltenen Plänen zum Objekt in den Eingabeakten der Wiener Baupolizei MA 37 mit der Signatur Ferdinand Fellners d. Ä. und der schriftlichen Überlieferung der Existenz eines Entwurfes zum Bau aus den Händen Eduard van der Nülls und August Sicard von Sicardsburg in den Aufzeichnungen Constantin Wurzbachs wird die Frage nach der Wichtigkeit des firmierenden Architekten dahingehend beantwortet, dass die Signatur allein noch keinen schlagenden Beweis für die Autorenschaft in Bezug auf die dem Gebäude zu Grunde liegende Entwurfsidee liefern muss. Die stilkritische Analyse der Fassade dokumentiert eine stärkere Verankerung der Konzeption im Schaffen Sicardsburgs und van der Nülls. Während bei Fellner noch in seinen späten Arbeiten ein nachhaltiges Verwurzeltsein in der Wiener Bautradition des Vormärz spürbar ist, deren Wandaufbau sich maßgeblich an der Horizontalen orientiert und das vertikale Moment meist nur als Akzent einsetzt, zeigen die Fassadenspiegel des Duos Sicardsburg/van der Nüll schon früh jenes Bemühen um ein Auflockern und Überspielen der Geschosse wie es an der Liebieghausfassade Anwendung findet. Besonders was die dominante ornamentale Ausschmückung betrifft, konnte etwas Derartiges an keinem von Fellners Bauten vor der Arbeit an dem Mietzinskomplex Graben 20 / Naglergasse 1 gefunden werden. Dasselbe gilt für das renaissancistische Formenrepertoire venezianischen und toskanischen bzw. florentinischen Ursprungs, welches zu den im Atelier Sicardsburg/van der Nüll favorisierten Stilmitteln gehörte, wogegen Fellner bevorzugt antikisierende Formen verarbeitete. Beim Versuch das Haus Liebieg chronologisch und stilistisch in die Werkgeschichte der Architekten einzugliedern, erscheint die Positionierung bei Fellner relativ isoliert bzw. exzeptionell und im Vergleich zum Gestaltungswillen seiner nachfolgenden Arbeiten weit fortschrittlicher. Im Falle einer Zuschreibung an Sicardsburg und van der Nüll lässt sich das Gebäude als besonders geglückter Versuch am Ende zahlreicher früherer reihen, die das Ziel verfolgten die horizontal gegliederten Wandgestaltungen der Vorgängergeneration zu überwinden. Während die Schauseite des Hauses am Graben 20 gegenüber den lokalen stilistischen Gepflogenheiten mit verschiedenen Besonderheiten aufwarten kann, die der Stilstufe des späten romantischen Historismus entsprechen, zeigt sich die Fassade in der Naglergasse, mit ihren übereinander geschichteten Fensterreihen, als eine die Horizontale betonende Übersetzung des aufwendigen Formenrepertoires der Vorderfront. Gemeinsam mit den anderen innerhalb der vorliegenden Arbeit dargestellten Umständen macht dies den Schluss plausibel, dass Ferdinand Fellner d. Ä. als Verfasser der Einreichpläne nach dem bei Wurzbach erwähnten Entwurf aus den Händen August Sicard von Sicardsburgs und Eduard van der Nülls fungierte, in dieser Funktion den Fassadenspiegel des Hauses in der Naglergasse unter Verarbeitung der Motive der Prunkfront entwickelte und neben dem leitenden Baumeister Eduard Frauenfeld als den Bau überwachender Architekt auftrat.
Abstract
(Englisch)
The topic of this paper is the façade of the representative tenement at the corner of 20, Graben and 1, Naglergasse in the very centre of Vienna’s inner city. Commissioned in 1857 by textile entrepreneur Johann Liebieg, the building was finished in 1859. Focusing on the frontside of the house, this study discusses the disputed authorship of its architectural concept. The front side is characterised by a particularly harmonious design. Due to an intense interplay between horizontal and vertical elements, the various storeys seem very close to each other. The most extraordinary features of the mainly square stone plastered wall are the caryatid-adorned ground floor, the prominent attic with its sculptures, and the loggia balcony, which runs the whole breadth of the façade. It was only after Liebig’s death that the upper storey received a wooden supplement between the bay elements, thus giving the house a second arcade loggia running its whole breadth. Stylistically, the façade explores the possibilities of combining Venetian and Florentine early Renaissance forms on the one hand and vegetative motifs originating from Rhineland on the other. Apart from the building itself, this paper makes use of the extant planning material, contemporary literature, former expert opinions, and the results found during the renovation works carried out in 2004 and 2005. The plans of the object as handed in to the Vienna Construction Police MA 37 bear the signature of Ferdinand Fellner the Elder, whereas the records of Constantin Wurzbach attest to the existence of a design by Eduard van der Nüll and August Sicard von Sicardsburg. This paper argues that the signature alone does not prove the authorship of the design according to which the object was built. The stylistic analysis of the façade demonstrates that the design has its organic place in the creative devolpment of Sicardsburg and van der Nüll. Whereas Fellner, even in his final phase, is deeply rooted in the Viennese architectural tradition of Vormärz, whose predominantly horizontal wall design uses vertical elements, if at all, only for variation, the façade compositions of the architectural duo Sicardsburg and van der Nüll show, even in their early phase, the same tendency towards loosening up and interrelating the storeys that is so characteristic of the Liebieghaus façade. Nothing even slightly reminiscent of the dominant ornamental embroidery could be found in any of Fellner’s buildings predating the tenement complex at 20, Graben and 1, Naglergasse. The same can be said about the Renaissance-style formal repertoire of Venetian, Tuscan, and Florentine origin, which was favoured at Sicardsburg and van der Nüll’s studio, whereas Fellner preferred classical forms. An attempt at fitting the Liebieghaus stylistically into the work chronologies of the architects reveals that in Fellner’s case it would be isolated or exceptional and a much more progressive design than his later works. If ascribed to Sicardsburg and van der Nüll, the building appears as the crowning achievement of a series of similar projects, which aimed to overcome the horizontal wall designs of the previous generation. Other than the front side of the house at 20, Graben, which differs from local stylistic standards in several ways characteristic of late Romantic historicism, the façade in Naglergasse with its parallel rows of windows appears as a horizontally oriented transposition of the more elaborate formal repertoire around the corner. Bearing in mind this and other circumstances pointed out in the paper, it seems plausible to conclude that Ferdinand Fellner the Elder acted as author of the plans handed in to the construction police, which were drawn according to the design by August Sicard von Sicardsburg and Eduard van der Nüll mentioned in Wurzbach’s records, and that Fellner also developed the façade of the Naglergasse side using the motifs of the front and was supervising architect to executive architect Eduard Frauenfeld.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
architecture historism Austria Vienna Liebieg Sicardsburg van der Nüll Fellner
Schlagwörter
(Deutsch)
Architektur Historismus Österreich Wien Liebieg Sicardsburg van der Nüll Fellner
Autor*innen
Martina Ilse Zadrazil
Haupttitel (Deutsch)
Die Fassade des Liebiegschen Hauses, Naglergasse 1, Graben 20 (1857-59)
Hauptuntertitel (Deutsch)
auf den Spuren der Entwurfsidee im Spannungsfeld des Schaffens August Sicard von Sicardsburgs, Eduard van der Nülls und Ferdinand Fellners d.Ä.
Paralleltitel (Englisch)
The façade of the Liebieg House, 1, Naglergasse, 20 Graben (1857-59)
Publikationsjahr
2008
Umfangsangabe
159 S. : Ill., Kt.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Walter Krause
Klassifikationen
20 Kunstwissenschaften > 20.00 Kunstwissenschaften: Allgemeines ,
20 Kunstwissenschaften > 20.30 Kunstgeschichte: Allgemeines ,
20 Kunstwissenschaften > 20.31 Bildende Künstler ,
20 Kunstwissenschaften > 20.70 Europäische Kunst: Allgemeines ,
21 Einzelne Kunstformen > 21.73 Stadtbaugeschichte, Geschichte ländlicher Siedlungen
AC Nummer
AC06951873
Utheses ID
591
Studienkennzahl
UA | 315 | | |
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