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Friedrich Ritter von Wiesner
im Dienst eines Staates, den es nicht mehr geben sollte, nicht mehr gab, nicht mehr geben durfte ; Diplomat, Legitimist und NS-Verfolgter
Brigitte Schagerl
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Wolfdieter Bihl
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.20786
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29533.93311.166854-8
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Das Thema dieser Arbeit ist Friedrich Ritter von Wiesner, seine Tätigkeit in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, seine Aktivitäten nach dem ersten Weltkrieg und seine Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Diese Arbeit hat neben Akten aus Washington und aus verschiedenen Wiener Archiven hauptsächlich Beuteakten aus dem Moskauer Sonderarchiv als Grundlage, die zum großen Teil zurück nach Wien überstellt werden konnten und hier im Staatsarchiv im Archiv der Republik (AdR) eingeordnet sind. Von diesen war hauptsächlich der Nachlass Friedrichs Ritters von Wiesner, des Diplomaten und Legitimisten, Gegenstand der Untersuchung. Sein Tagebuch von 1898 und 1906, Aufzeichnungen zu Besprechungen im k.u.k. Ministerium des Äußern aus dem Juli 1914, Berichte vom Armeeoberkommando in Neu Sandez und Teschen während des Ersten Weltkrieges, Briefe an ihn vom ehemaligen Außenminister Czernin und vom Staatskanzler Renner, sowie Besprechungsprotokolle von Unterredungen mit diesem wegen der Übernahme der Leitung des Staatssekretariates für Äußeres stammen aus diesem Bestand. Zur Untersuchung der Legitimistischen Bewegung dienten Dokumente hauptsächlich aus dem Bestand des Reichsbundes der Österreicher, in dem Wiesner führend tätig war. Friedrich Wiesner, geboren 1871, Sohn des berühmten jüdischen Biologieprofessors Richard Ritter von Wiesner, der für seine Leistungen geadelt wurde, absolvierte das Gymnasium in Kremsmünster, studierte Jus an der Universität Wien und wurde Richter in Baden. Stets gewissenhaft bemüht, alles genau und wahrheitsgemäß zu erledigen, strebte er nach Selbsterkenntnis, wie er in seinem Tagebuch von 1898 festhielt. Dieses gewissenhafte Streben und sein Glaube an die Wahrheit brachte ihn einerseits weiter – 1911 trat er ins k.u.k. Ministerium des Äußern ein – und machte ihn zu einem angesehenen Mann, andererseits holte ihn stets die politisch-historische Realität ein, die seine Bemühungen ad absurdum führte. Sei es als Leiter der Untersuchungskommission des Thronfolgermordes in Sarajevo 1914, als der er einen gewissenhaften umfangreichen Bericht abgab, der erstens zu spät kam, zweitens zu kompliziert für die Öffentlichkeit und auch für die ausländischen Diplomaten, als dass er auf den Lauf der Dinge und den Kriegsausbruch Einfluss gehabt hätte. Sei es, als Karl Renner mit ihm in Verhandlungen trat, um ihm nach dem Rücktritt Otto Bauers die Leitung des Staatsamtes für Äußeres anzubieten. Da waren Wiesners Überlegungen zur Neuorganisation des Staatsamtes für Äußeres nach seinem besten Wissen und Gewissen, aber nicht von realpolitischen Überlegungen geprägt. Sei es auch in der legitimistischen Bewegung, die als solches zuerst vom Austrofaschismus und dann vom Nationalsozialismus überrollt wurde. Niemals gab Friedrich Wiesner seine Überzeugungen preis, an die er ehrlich glaubte und für die er sich einsetzte, um etwa politische Kompromisse zu schließen und pragmatisch gemäß der historischen Realität Vorteile zu gewinnen. So ist es eine logische Konsequenz der Geschichte, dass er in ein KZ inhaftiert wurde. Das Bemühen seiner Gattin Julia um seine Freilassung wird aus den Gauakten Wiesner sichtbar, worin auch ein Brief Julias enthalten ist, der zeigt, wie die alte Dame den schnellen Wandel von Wertigkeiten nach dem Anschluss nicht versteht, wenn sie, die in ihrem ganzen Leben eine monarchistische Einstellung als lobenswert erlebte, dem nationalsozialistischen Generalstaatsanwalt dieses ihr monarchistisches Bemühen als Argument ihrer Rechtschaffenheit darbietet. Die beiden alten Leute waren nach 1945 zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie noch öffentlich tätig gewesen wären. Julia starb 1949 und Friedrich 1951. Sie sind im Familiengrab am Grinzinger Friedhof in Wien begraben. So werden anhand einer Lebensgeschichte die verschiedenen Epochen österreichischer Geschichte sichtbar und manifestiert sich das allgemeine historische Geschehen in dem einen Leben eines Mannes, der nicht in führender Position die Geschicke des Landes bestimmte aber auch nicht zur Masse des Volkes zu zählen ist, sondern in steten Bemühen immer versuchte, den Gang der Geschichte des Landes zu beeinflussen.
Abstract
(Englisch)
The issue of this thesis is the person of Friedrich Ritter von Wiesner and his activities: first during the Austrian-Hungarian Monarchy, then after the end of this regime and finally his prosecution during the Nazi regime. This dissertation is based on records from various archives in Washington and Vienna, but mainly on records from the Moscow Special Archives. Many of these records used for this research in Moscow have been transferred back to Vienna and have been filed in the Austrian State Archives in the Archives of the Republic (AdR). For this research was the most important archival material the „fond“ „Friedrich Ritter von Wiesner, diplomat and legitimist“. (A certain collection is called „fond“ in the Archives in Moscow.) There we can find his diary from 1898 and 1906, also notes of meetings in 1914 at the k.u.k. Ministry of Foreign Affairs, and reports from the Field Army Command (AOK) in Nowy Sacz and Teschen during the World War I, further letters addressed to Wiesner written by Ottokar Graf von Czernin, the former Minister of Foreign Affairs, and those written by Karl Renner, the State Chancellor of the Republic. We also can find meeting minutes written by Wiesner after his conversation with Renner, who wanted to install him as State Secretary of Foreign Affairs. The „fond“ „Reichsbund der Österreicher“ (RBÖ) gives information about the monarchistic organization of RBÖ, in which Wiesner had a dominant position. Friedrich Wiesner, born in 1871, was the son of the famous Jewish biology professor Richard Ritter von Wiesner, who was honored with the title „Ritter“ due to his excellent work. Friedrich Wiesner graduated at the high school in Kremsmünster, studied law at the University of Vienna and became judge in Baden. He worked always conscientiously and tried to do everything exactly and truthfully. As he wrote in his diary of 1898 self-knowledge was important for him. On one hand his wish to find the truth and his manner to do things correctly was good for his career – in 1911 he got a job in the k.u.k. Ministry of Foreign Affairs, on the other hand the political and historical reality often made his efforts ineffective. I would like to illustrate this with some arguments. To allege an example we can consider the following fact: In Sarajevo in 1914 he investigated as head of the commission, whether Serbia was responsible for the assassination of the successor of the throne and his wife. At that time he conscientiously collected material for a comprehensive report, which was finished too late and was also too complicated for the public and for foreign diplomats, too, as it could have had any influence on the outbreak of war. A second example could be: After Otto Bauer has announced his resignation, Karl Renner offered to Wiesner the position of the head of the State Secretary of Foreign Affairs. In this situation Wiesner thought about, how to reorganize the State Secretary of Foreign Affairs according to his convictions, but his ideas failed to meet the requirements of real political situation in Austria and in the world. In the same way Wiesner being involved in the legitimistic movement was not sucessful, because this organization was less important than the Vaterländische Front and in 1938 the legitimists were persecuted by the Nazis. Friedrich Wiesner remained true to his principles and convictions, in which he believed honestly. Therefore he made no compromises due to which he could have gained personal advantages in a particular historical situation. According to this attitude it was a logical consequence of history that he was put into a concentration camp. The efforts of his wife Julia for his release are documented by the archival records of the “Gauakte Wiesner“, which are filed in the Austrian State Archives. There a letter written by Julia to the Nazi Generalstaatsanwalt is included showing us how she as an old lady did not understand the quick change of political system in 1938: She still emphasized her loyality to the former political system stressing her monarchistic connections in order to show her correct political attitude. After World War II Julia and Friedrich Wiesner were old, sick and occupied with themselves and therefore too weak to make policy. Julia died 1949 and Friedrich 1951. They are buried in the family grave in Grinzing cementary in Vienna. Thus studying the biography of this man we can understand the various epochs of Austrian history a bit more. Historical events are reviewed looking at the life of one man, who did not take up a really dominant position and could not really change the history of Austria, but who was not one of the common people, too.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Friedrich Ritter von Wiesner diary World War I monarchism Nazi-persecution
Schlagwörter
(Deutsch)
Friedrich Ritter von Wiesner Tagebuch Erster Weltkrieg Legitimismus NS-Verfolgung
Autor*innen
Brigitte Schagerl
Haupttitel (Deutsch)
Friedrich Ritter von Wiesner
Hauptuntertitel (Deutsch)
im Dienst eines Staates, den es nicht mehr geben sollte, nicht mehr gab, nicht mehr geben durfte ; Diplomat, Legitimist und NS-Verfolgter
Publikationsjahr
2012
Umfangsangabe
238 S. : Ill.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Wolfdieter Bihl ,
Arnold Suppan
Klassifikation
15 Geschichte > 15.06 Politische Geschichte
AC Nummer
AC09364276
Utheses ID
18585
Studienkennzahl
UA | 092 | 312 | |
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