Detailansicht

Die Inszenierung von Gerechtigkeit
Ästhetik, Dramaturgie und Politik im US-amerikanischen Gerichtsfilm der 1990er Jahre
Sasa Miletic
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Dr.-Studium der Philosophie (Dissertationsgebiet: Theater-, Film- und Medienwissenschaft)
Betreuer*in
Rainer Maria Köppl
Volltext herunterladen
Volltext in Browser öffnen
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.46833
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-28818.90244.411169-4
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Der Gerichtsfilm gehört gleichzeitig zu den beständigsten und den am wenigsten beachteten Filmgenres der Filmgeschichte. Das immer lebendige Genre erlebte einige Höhen und die Tiefen, wobei es in den 1990er Jahren zu einer auffälligen Hyperproduktion von kommerziellen Gerichtsfilmen und Justizthrillern, wie etwa The Firm, A Time to Kill, Philadelphia oder JFK, gekommen war. Die enorme Popularität des Gerichtsfilms zu dieser Zeit kann man auch daran erkennen, dass von einigen Klassikern des Genres, wie 12 Angry Men (1957) oder Inherit the Wind (1950), jeweils ein Remake gemacht wurde. Eine Voraussetzung für den enormen Erfolg der Filme (die oft das drei- oder vierfache ihres Budgets einspielten), war der Aufstieg des Ex-Anwalts John Grisham, sowie seines Kollegen Scott Turow, zu Bestseller Autoren. Es spielte jedoch auch der sogenannte "Zeitgeist" mit: nach dem Ende des kalten Krieges und in der Ära einer neu entfachten "political correctness", schien der Gerichtsfilm der 1990er das bevorzugte Genre der liberal-demokratisch gesinnten Filmemacher_innen und Produzent_innen zu sein, um Themen wie Rassismus, Umwelt oder Diskriminierung am Arbeitsplatz wurden zu einem festen Bestandteil des Mainstreamkinos zu machen. So wurde zum Beispiel Philadelphia von Jonathan Demme der erste Mainstream Film, der sich mit AIDS beschäftigte, und JFK von Oliver Stone löste eine "neue Welle" von Verschwörungstheorien aus, die sich nicht nur mit dem Mord an Kennedy auseinandersetzten. Filme wie A Civil Action oder Erin Brockovich machten Anwält_innen, die sich für die "kleinen Leute" einsetzen zu Protagonistinnen. Mit derartigen Gerichtsfilmen zeigte Hollywood stolz sein liberaldemokratisches Gesicht, wie seit den 1960er Jahren nicht mehr. Doch, war die Kulturindustrie Hollywoods wirklich so progressiv wie sie sich gab? Ich habe versucht in dieser Arbeit gerade das anzuzweifeln: nach einer näheren Betrachtung und mithilfe von filmphilosophischen und ideologiekritischen Arbeiten Slavoj Žižeks erscheinen gerade diese "progressiven" Filme den Status Quo der amerikanischen Gesellschaft der 1990er Jahre, die sich im global-neoliberalen Umbruch befand, am Leben zu erhalten, wenn nicht sogar zu fördern. Zwar werden in diesen Filmen die großen Firmen, z.B. die Automobilindustrie oder Versicherungsgesellschaften angeprangert, als die Ursache dunkler Machenschaften dahinter werden jedoch stets "böse" Individuen entlarvt. Das System selbst – der neoliberale Kapitalismus – bleibt unangetastet. Aus filmanalytisch-kritischer Distanz erkennt man zudem, dass diese Filme nicht etwa versuchen gewisse Themen in den Mainstream hinein zu "schmuggeln", sondern Themen, wie den Rassismus vielmehr verwenden um konservative Werte wie den Glauben an die traditionelle Familie zu propagieren und stärken. Die herrschende Ideologie wird als einzig möglicher gemeinsamer Nenner zwischen der weißen Mehrheit und den Minderheiten dargestellt; der Rassismus in Amerika erscheint nicht systemisch, sondern ausschließlich individuell, daher, so behaupten die Filme, sollte es reichen, wen jeder sich nur an die Stelle des "Anderen" versetzt um ihn zu verstehen, wobei man den "Anderen" stets als ein Spiegelbild seiner selbst (des guten Menschen= weißen Amerikaners) vorstellt. Der Gerichtsfilm der 1990er zeigt, dass wie auch das kritische Mainstream-Kino nicht radikal kritisch sein kann, da es ein Teil der ideologisierten Kulturindustrie ist und bleibt. Auch heute versuchen große Studios, mit enormen Budgets (und deshalb unter dem Zwang, diese wieder einzuspielen), Diversität in ihre Filme hineinzuschleusen und so sich selbst als "progressiv" zu verkaufen. Auch wenn sie das inhaltliche Spektrum kritisch erweitern, sind sie zum Erfolg verdammt. Diversität ist und bleibt damit nur im vorgegebenen finanziellen und ideologischen Rahmen des globalen, neoliberalen Kapitalismus möglich: im Endeffekt müssen konservative Werte propagiert und das allumfassende, kapitalistische System darf nicht infrage gestellt werden.
Abstract
(Englisch)
The Hollywood courtroom drama is one of the oldest and most durable genres in film history, and also one that is mostly being overlooked by film scholars. As every other film genre, the courtroom drama in its many iterations (legal thriller, courtroomwhodunit, etc.) also had its highs and lows, with periods of high visibility and at some points in time almost no visibility at all. In the 1990ies, the period that I am dealing with in this dissertation, this genre showed a hyper production and enjoyed popularity that was unprecedented, maybe only rivaled by the films of the late 1950ies and early 1960ies like 12 Angry Men or To Kill A Mockingbird. The courtroom dramas of the 1990ies like A Time to Kill, Philadelphia, Ghosts of Mississippi or Erin Brockovich, reflected the so called "zeitgeist", which, in the wake of the new democratic Clinton administration in the US, was informed by emerging political correctness and a new awareness regarding the problems of race, gender and environment in the mainstream discourse. These films took their cues from reality and in some cases tried to respond as quickly as possible to certain events, in order to profit from the current interest of the movie going audiences. These were especially fascinated by the racially dividing murder trial of the football player and celebrity O. J. Simpson, an event that even after more than twenty years still is a staple of pop cultural references. At that time, in 1994/95, it was already hailed as the "trial of the century" and watched on TV by millions. This increased interest in trials and lawyers in the 1990ies was also fueled by the success of such bestselling authors like John Grisham (The Firm, A Time to Kill) and Scott Turow (Presumed Innocent). The Hollywood industry profited from their popularity and vice versa. My goal is to analyze the films of this era regarding aesthetics, politics and dramaturgy and their intertwining. Since the courtroom dramas of the 1990ies were aware of political and social issues of their time and also tried to be progressive in approaching them, the crucial question that emerges here is: are these films, as products of Hollywood, and also as a part of what Adorno/Horkheimer called "cultural industry", really as progressive as they seemed to be? With Slavoj Žižeks notion of ideology and the way it is at work today, and also Jacques Lacan's reading of Sigmund Freud's dream analysis in his The Interpretation of Dreams, I am proposing that the liberal (but not only) Hollywood mainstream film, which heavily relies on realism, isn't necessarily an escape into a delusional "dreamworld", but, paradoxically, an escape into reality itself, and as such, highly ideological. What happens is in fact the prolonging of the neoliberal/liberal-democratic status quo that disguises itself as a critique of an unjust society and in fact serves to keep conservative values (of traditional family, capitalist system, etc.) alive. These films are thus even more problematic than the "classic" conservative films (e.g. films by Clint Eastwood), since their conservatism isn't obvious at a first glance. Although their attempts on themes, that are without a doubt problems of our time, is in itself not without merit, the specific way they deal with their subjects and the way they embed them in conservative ideology is highly problematic. As the filmmakers and studios presume, these notions are shared by most people and should make the audiences watch these films and thereby guarantee profit, which is the first, foremost and often the only reason some of these films exist.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Courtroom drama dramaturgy genre philosophy film aestehtics film analysis film history ideology Hollywood
Schlagwörter
(Deutsch)
Gerichtsfilm Dramaturgie Genre Philosophie Filmästhetik Filmanalyse Filmgeschichte Ideologie Hollywood
Autor*innen
Sasa Miletic
Haupttitel (Deutsch)
Die Inszenierung von Gerechtigkeit
Hauptuntertitel (Deutsch)
Ästhetik, Dramaturgie und Politik im US-amerikanischen Gerichtsfilm der 1990er Jahre
Publikationsjahr
2017
Umfangsangabe
291 Seiten : Illustrationen
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Johann Hüttner ,
Claus Tieber
Klassifikation
24 Theater > 24.34 Filmgattungen, Filmsparten
AC Nummer
AC13723901
Utheses ID
41445
Studienkennzahl
UA | 792 | 317 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1