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Strich Punkt
Bewegung und Geschwindigkeit im Adoleszensroman
Nicole Kalteis
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Dr.-Studium der Philosophie Deutsche Philologie
Betreuer*in
Ernst Seibert
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.49295
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-24322.22905.298776-5
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Arbeit gestaltet erste Ansätze einer Poetik der Bewegung des modernen und postmodernen Adoleszenzromans, denn kaum eine Lebensphase wird so sehr mit Bewegung und Geschwindigkeit in Zusammenhang gebracht wie Jugend, bzw. Adoleszenz und kaum eine Textsorte gestaltet diese Dynamik narrativ und strukturell so intensiv wie der Adoleszenzroman. Um das Phänomen von Bewegung und Geschwindigkeit zu fassen, werden zu Beginn der Arbeit Beschleunigungstheorien vorgestellt. Die Ausführungen fußen auf den Arbeiten des Philosoph Paul Virilio und des Soziologen Hartmut Rosa. Bewegung und Raum gehören in literarischen Texten untrennbar zusammen, daher widmet diese Arbeit dem Raum und Raumtheorien ein umfassendes Kapitel, das Grundlagen klärt. Literarische Texte veranschaulichen auf besondere Weise, dass die Konstruktion narrativer Räume immer anhand sich in Räumen bewegenden literarischen Figuren funktioniert, seien es handelnde Figuren oder Erzählerfiguren. Der Raum wird dabei allerdings nicht als Kulisse verstanden, denn er ist sowohl sozial produktiv wie auch sozial produziert und damit Signatur sozialer und symbolischer Praktiken. Die literarische Wahrnehmung und Nutzung von Räumen kann unterschiedlich verlaufen. Sie dient der Grenzziehungen zwischen dem Eigenem und dem Fremdem oder der Konstruktion von Ängsten und Domänen, weshalb sich die Arbeit mit Alteritätskonzepten auseinandersetzt. Die Adoleszenz wird als liminaler Zustand im Sinn des Ethnologen Victor Turner verstanden. Um diese Situation meistern zu können, braucht es anthropologische Bewältigungsstrategien in Form von Ritualen und Symbolen. Nachdem Rituale in modernen und postmodernen Gesellschaften oftmals institutionalisiert vorzufinden sind, wird der Adoleszenzroman selbst als kulturelles Ritual verstanden, der zudem, im Sinne Hans Blumenbergs, die Arbeit am Mythos fortschreibt. Für den Adoleszenzroman wurden zwei Mythengruppen als gattungsbestimmend herausgearbeitet. Der moderne Adoleszenzroman schreibt den Heldenmythos fort und der postmoderne Adoleszenzroman den Trickstermythos. Die narrative Form, die durch Trickster- und Heldenmythen im Adoleszenzroman grundiert sind, können somit als kulturelles Ritual verstanden werden und bieten einen kulturellen Simulationsraum der Überschreitung und des liminalen Zustandes. Wesentlich für die Bestimmung von Bewegung und Geschwindigkeit im Adoleszenzroman ist, dass diese mythologischen Figuren über unterschiedliche Bewegungsmuster verfügen. Während der Held ein klares Ziel verfolgt, weil er teleologisch ausgerichtet ist und sich in einem Raum bewegt, der metaphysische Markierungen aufweist, ist der Trickster ein ziellos wandernder, dessen Bewegung kein klares Ziel verfolgt und meist eine trickreiche Fluchtbewegung beschreibt; Der Raum des Trickster ist leer und wird damit zu einem „Nicht-Ort“ im Sinne Marc Augés. Bewegungsformen, die dem modernen Adoleszenzroman und seinem teleologisch ausgerichteten Helden zugeordnet werden können, sind der Kreis, die Linie und der Stern. Dem Trickster können pendelnde- und Zick-zack-Bewegungen zugeordnet werden. Diese Bewegungen dienen als Verstehensbewegungen, wie sie der Romanist Ottmar Ette für den Reisebericht beschrieben hat und legen Vektorisierungen offen. Adoleszente Figuren sind durch Bipolaritäten konstituiert, die als bewegliches Konzept verstanden werden müssen, das Fremdheit und Eigenheit nicht als Gegensatz konsruiert, sondern als Netz von Verbindungen und Verweisen und als ein Oszillieren zwischen den Sphären. Die Dynamik des Adoleszenzromans zeigt sich nicht nur durch seine Figuren, denn Literatur, die an einer historischen, psychologischen und biologischen Grenze angesiedelt ist und veränderte Wirklichkeitserfahrungen in Form und Inhalt gestaltet, rückt den Rand ins Zentrum und dynamisiert Literatur grundsätzlich.
Abstract
(Englisch)
This paper presents initial steps towards a poetics of movement in adolescent novels. Hardly any other stage of life has been associated as closely with movement and speed as youth, and hardly any text type portrays this dynamic as intensively in narration and structure as the adolescent novel. In order to grasp the phenomena of movement, as a first step, theories of acceleration are introduced. The considerations are based on the works of Paul Virilio and Hartmut Rosa. Since movement and space in literary texts are inextricably connected, this paper dedicates a comprehensive chapter to space and theories of space, which explores the basic assumptions of the field. Literary texts illustrate that the construction of narrative spaces always works in correlation to literary characters moving in space. Space, in this context, is not merely understood as setting, for it is both socially productive as well as socially produced and, thus, reveals social and symbolic practices. The literary perception and use of space can take various forms. They serve to separate the self from the other or to construct fears and domains, which is why this paper is also concerned with concepts of alterity. Following the ethnologist Victor Turner, the adolescent stage is conceptualized as a liminal stage. In order to master this situation, anthropological coping strategies in form of rituals and symbols are needed. Since in modern and postmodern societies rituals are often institutionalized, the adolescent novel itself is understood as a cultural ritual which perpetuates the work on myth. (Blumenberg) Concerning the adolescent novel, two types of myths have proven to determine the genre. While the modern adolescent novel perpetuates the myth of heroism, the postmodern adolescent novel is informed by the trickster myth. The narrative form of the adolescent novel that is shaped by the myths of the trickster and the hero can therefore be conceptualized as a cultural ritual and offers a cultural space of simulation for transgression and liminality. Essential to the analysis of movement in the adolescent novel are the characters’ patterns of movement. In accordance with his/her teleological orientation, the hero pursues a clear objective as he/she moves in a metaphysically marked space, whereas the directionless, wandering trickster moves without a clear destination in mind and usually describes cunning movements of flight. The space of the trickster is empty and thus becomes a “non-place” in terms of Marc Augé. The patterns of movement that can be attributed to the modern adolescent novel and its teleologically oriented hero are the circle, the line and the star. The trickster, in contrast, is attributed oscillating and zigzag movements. These serve as movements of understanding as described by Ottmar Ette concerning the travel report and reveal vectorizations. The dynamic of the adolescent novel, however, is not only apparent in its characters. A literature that is situated at a historical, psychological and biological border and that creates modified experiences of reality in form and content moves the margins into the center and dynamizes literature in general.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
adolescent novel movement and speed trickster myth myth of heroism
Schlagwörter
(Deutsch)
Adolszenzroman Bewegung und Geschwindigkeit Trickstermythos Heldenmythos
Autor*innen
Nicole Kalteis
Haupttitel (Deutsch)
Strich Punkt
Hauptuntertitel (Deutsch)
Bewegung und Geschwindigkeit im Adoleszensroman
Publikationsjahr
2017
Umfangsangabe
249 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Ernst Seibert ,
Michael Rohrwasser
Klassifikationen
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.73 Literaturtheorie: Allgemeines ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.80 Literarische Gattungen: Allgemeines
AC Nummer
AC14485743
Utheses ID
43575
Studienkennzahl
UA | 092 | 332 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1