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Der blinde Tausch
das Phänomen der Börse aus der Perspektive der Tauschtheorie von Marcel Mauss
Haris Aliefendic
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Dr.-Studium der Philosophie Volkskunde
Betreuer*in
Bernd Rieken
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.48839
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-22770.84649.880254-4
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Diese Arbeit soll zeigen, wie sich die zwischenmenschlichen Beziehungen unter dem Einfluss eines Gemisches aus Marktideologie und entsprechenden Technologien wandeln. Sie entwickeln sich immer mehr in die Richtung von Beziehungen, wie man sie an der Börse kennt, insbesondere seit dem Aufkommen der sozialen Netzwerke. Im Fokus des ersten Teils stehen die Tauschtheorie von Marcel Mauss und sein Hauptwerk Die Gabe, in dem er sich mit dem Phänomen der zeremoniellen Gabe in den archaischen Gesellschaften und ihren modernen Ausprägungen beschäftigt. Für Mauss stellt die zeremonielle Gabe ein „System der totalen Leistung“ dar, da es alle Aspekte des menschlichen Zusammenseins umfasst. Der holistische Zugang zur zeremoniellen Gabe zeigt uns, dass die Begegnung zwischen Menschen auf verschiedenen Ebenen ablaufen kann und ein sehr komplexes Phänomen ist. Die zeremonielle Gabe ist symbolischer Natur, findet im öffentlichen Raum statt und ihr Ausgang ist immer ungewiss. Die zeremonielle Gabe weist viele Elemente des Spiels auf, das oft eine Wette beinhaltet mit dem Ziel, den anderen an sich zu binden. Für Mauss war die zeremonielle Gabe die Grundlage sozialer Integration und eine Art Sozialvertrag in den archaischen Gesellschaften, bei dem mittels wechselseitiger Schuldverhältnisse soziale Kohäsion erreicht wird. Darüber hinaus wird in vorliegender Arbeit die Vorstellung vom Homo oeconomicus in der ökonomischen Theorie thematisiert. Es geht um die Vision der einsamen, isolierten Akteure, die nur einem Ziel nachgehen – der Nutzenmaximierung. Anschließend wird näher auf die zentralen Institutionen des Kapitalismus – den Markt und insbesondere die Börse – eingegangen. Es zeigt sich, dass die Börse tatsächlich den Traum vom effizienten Markt verwirklicht, auf dem die Akteure isolierte Einheiten sind, die gar nicht in Kontakt miteinander treten müssen. Der Tausch an den Börsen wird durch die Zuordnungsalgorithmen koordiniert und abgeschlossen. Er ist aus der Sicht der einzelnen Akteure in der Tat blind. In den zeitgenössischen westlichen Gesellschaften wird der Alltag immer mehr vom Markttausch in Form sozialer Netzwerke durchdrungen, deren Verbreitung durch die Entwicklung der Technologie und die Verfügbarkeit des Internets ermöglicht wurde. Die sozialen Netzwerke sind heute fester Bestandteil des Lebens vieler Menschen. Sie sind in vielerlei Hinsicht wie Börsen strukturiert, was dazu führt, dass auch der Austausch zwischen Menschen die Struktur des Tausches an der Börse aufweist. Eine derartige Formatierung der menschlichen Interaktion, wie sie auch ideologisch durch die ökonomische Theorie unterstützt wird, führt dazu, dass die zeremonielle Gabe durch die börsenartige Interaktion verdrängt wird. Die Begegnung von Angesicht zu Angesicht, die in der zeremoniellen Gabe unabdingbar ist, weicht der Anonymisierung, die den Börsenmechanismen eigen ist. Die sozialen Netzwerke stellen die Überbrückung zwischen dem Menschen der zeremoniellen Gabe und der ökonomischen Vorstellung des Homo oeconomicus dar. Der Tausch der Akteure in den sozialen Netzwerken und ihre Beziehungen zueinander werden auf ähnliche Weise blind. Am Ende der Arbeit wird ein vorsichtig-optimistischer Ausblick auf die Zukunft der zwischenmenschlichen Beziehungen gegeben. Hier wird das Konzept der Formatierung aus der Akteur-Netzwerk-Theorie benutzt, um zu zeigen, dass die Zukunft der zwischenmenschlichen Beziehungen in der Tat völlig offen ist und durch neue Formatierungen geändert werden kann.
Abstract
(Englisch)
This thesis aims to show on how the interpersonal relations have been influenced by both the market ideology and respective technologies. They start to resemble more the relations as we know them from the market, especially since the rise of the phenomenon of social media and social networks. The first part of the thesis focuses on Marcel Mauss’s Theory of the exchange and his masterwork The Gift. In his essay, Mauss explores the custom of exchanging gifts, widespread in archaic societies, and how it relates to the modern society. For him, the gift is ‘a system of total services’, conceived as a transaction forming part of all human, personal relationships. This holistic view of the ritual exchange shows how the encounter between individuals happens on different levels thus making it a rather complex phenomenon. The ritual exchange is of symbolic nature, it happens in public space and its outcome is always uncertain. The ritual exchange has a lot of elements in common with game, the kind that usually contains a bet aimed to connect to the other. For Mauss, the exchange was the foundation of the social integration and a kind of a social contract in archaic societies, where the social integration is reached through reciprocal debt relations. Furthermore, the thesis deals with the notion of homo economicus in the economic theory. It is about the vision of the lonely, isolated actors, who pursue only one goal - the utility maximization. It follows with analysing the central institutions of capitalism - the market and, in particular, the stock exchange. It shows that the stock market actually realizes the dream of an efficient market on which the actors are isolated units, not necessarily having to come into contact with each other at all. The exchange on the market is coordinated and completed purely by allocation algorithms, with its actors unaware of it. The exchange of the actors is “blind”. In contemporary Western societies, everyday life is increasingly permeated by the exchange of the market in the form of social networks, which have been made possible by the development of technology and the ever increasing availability of the internet. Social networks are an integral part of the lives of many people today. In many respects, they are structured as exchanges, with its exchanges paralleling the structure of exchanges on the stock market. Such a formatting of human interaction, ideologically supported by the economic theory, leads to the fact that the ceremonial gift is displaced by the exchange-like interaction. The face-to-face encounter, indispensable in the ceremonial gift, deviates from anonymisation, which is inherent in the exchange mechanisms. The social networks represent the bridging between the man of the ceremonial gift and the economic conception of homo economicus. The exchange of the actors in the social networks and their relations with one another are becoming “blind” in a similar way. The thesis ends with a cautiously optimistic outlook on the future of interpersonal relations. Here the concept of formatting from the actor network theory is used to show that the future of interpersonal relations is indeed completely open and can be changed by new formatting.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Ritual Exchange Gift Mauss Stock Exchange
Schlagwörter
(Deutsch)
Zeremonielle Gabe Mauss Börs Tausch
Autor*innen
Haris Aliefendic
Haupttitel (Deutsch)
Der blinde Tausch
Hauptuntertitel (Deutsch)
das Phänomen der Börse aus der Perspektive der Tauschtheorie von Marcel Mauss
Publikationsjahr
2017
Umfangsangabe
185 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Bernd Rieken
Klassifikationen
73 Ethnologie > 73.00 Ethnologie: Allgemeines ,
73 Ethnologie > 73.99 Volkskunde: Sonstiges
AC Nummer
AC14494360
Utheses ID
43160
Studienkennzahl
UA | 092 | 308 | |
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