Filipovits-Flasch, D. (2008). Eingangszonen [Dissertation, Technische Universität Wien]. reposiTUm. https://resolver.obvsg.at/urn:nbn:at:at-ubtuw:1-26043
entrance; portal; opening up; architectural traditions; motion; perception; sacred sites; basic human experience; laws of nature; man
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Abstract:
Eingangszonen dominieren die Beziehung zwischen Mensch und Architektur, indem sie bereits im Vorfeld unterschiedlichste Inhalte soziokultureller, soziopolitischer, theologischer oder kosmogonischer Art transportieren. Der Interpretation dieser essenziellen Informationen hängt zum einen von Prägnanz und Verständlichkeit der Eingangsgestaltung ab, zum anderen von der Perzeption des Betrachters. Sollen nachhaltige, gravierende Wahrnehmungsunterschiede vermieden werden, müssen grundlegende Faktoren im Hinblick auf die Architektur der Eingangszone berücksichtigt werden: Eintreten ist kein statisches Verhalten, sondern ein räumlich-zeitlicher Prozess. Eingangszonen werden in Bewegung erlebt, wobei nur die Kombination verschiedenster Sinne, basierend auf der Wahrnehmung unterschiedlicher architektonischer Elemente, Ausschnitte und Räume, die vollständige Erfassung des Umgebungsraumes ermöglicht und so eine bestimmte, kongruente Erwartungshaltung bei den Eintretenden erzeugt.<br />Voraussetzung dafür ist eine zeitliche und räumliche Abstimmung der Architektur auf Mensch und Ziel. Darüber hinaus basiert die konsensuelle Auslegung des visuellen Ausdrucks von Eingangsbauwerken auf der Berücksichtigung der menschlichen Psyche in Bezug auf das bewusste und unbewusste Erleben und Wahrnehmen bestimmter elementarer Strukturen und Maxime. Jene Grunderfahrung des Menschen, welche ihn Kraft und Schwere lehrt, beeinflusst die Architektur insofern, als dass jede Form, jedes Element gewissermaßen von einer richtunggebenden Energie hin zur Erde beherrscht wird. Das Überwinden dieser trägen Schwere, etwa in Form eines vertikal ausgerichteten, hohen Eingangsportals, hat daher fast unvermeidlich symbolische Beiklänge, wie etwa das Streben nach einem hohen Ziel, nach Macht, nach Begegnung mit dem Göttlichen. Unverzichtbar ist es daher, für die allgemeine Betrachtung eines Eingangsbauwerks das Gesetz der Schwerkraft heranzuziehen. Es gilt weltweit und für jedermann gleich, unabhängig von Kultur, Ort und Zeit. Vergleich und Interpretation voneinander unabhängiger Architekturtraditionen im Bezug auf die Eingangszone ermöglichen schließlich die Bestimmung allgemein gültiger Prinzipien und Konzeptionen. Verschiedenste Analysen zeigen, dass nahezu jedes gemeinsame Anliegen, jede Übereinstimmung und Grundidee auf Basis weltweit gültiger Naturgesetze entstand. Festzustellen ist, dass überall dort, wo die Natur einst über das (Über-)Leben der Menschen bestimmte, die Ausrichtung der Eingangsachse eines kultischen Gebäudes stets in Zusammenhang mit bestimmten, von Natur aus gegebenen Achsen, wie etwa jener eines Flusses oder aber auch einer Berg-Meer-Achse, stand. Die Sonne geht allerorts im Osten auf, ein natürlicher Vorgang, welcher in den verschiedensten Kulturen mit der Symbolik der Wiedergeburt behaftet ist. Weltbild, Religion und Ort sind hier nicht wesentlich, wie jene kultischen Gebäude zeigen, deren Eingangszone gleichsam den Kreislauf der Sonne als Sinnbild des Lebens nachempfindet. Sakrale Stätten der Christen, Buddhisten oder Hindus unterscheiden sich diesbezüglich kaum voneinander. Auch die Religion des Islam kennt das Ritual der Umwandlung kultischer Stätten wie der Kaaba in Mekka, allerdings versinnbildlicht hier der Gläubige seine Zugehörigkeit zur Schöpfung und zum Universum, indem er in seiner Bewegung die Umlaufbahn des Sonnensystems nachahmt und dabei wie ein Himmelskörper die Welt (Kaaba) umkreist. Das Ritual der Umwandlung der Kaaba, also dass Erleben der kultischen Stätte entlang eines einzigen durchgehenden Erschließungsweges, erfolgt daher von rechts nach links, ebenso wie die Erdrotation sowie die Bewegung der Erde um die Sonne rechtsläufig, also entgegen dem Uhrzeigersinn erfolgt. Die zuvor genannten Religionen haben jedoch eines gemeinsam: ihre symbolische Sprache, deren Ausdrucksform nicht Worte, sondern Bewegungen sind. Genau diese Rituale haben eminenten Einfluss auf die architektonische Ausformulierung der Eingangszone. Die Orientierung des Erschließungsweges nach den Kardinalsrichtungen sowie nach religiösen oder politischen Zentren wird bis heute angewendet, eine vieler Traditionen, welche bei den Menschen gleichsam zu einer verinnerlichten gesellschaftlichen Wertskala geführt hat. Die Anwendung dieser Traditionen sowie allgemein gültiger Prinzipien legitimiert die Option, Bedeutung und Funktion eines Bauwerks bereits an der Eingangszone zu erkennen.<br />
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Entrance areas dominate the relationship between man and architecture by transporting the most varied socio-cultural, socio-political, theological and cosmogonic content from the very outset. The interpretation of such essential information depends on the incisiveness and intelligibility of the entrance design, as well as on the observer's perception. If enduring, serious differences in perception are to be avoided, the architecture of the entrance area must take into account certain fundamental factors:<br />the act of entering is not static, but a spatial and temporal process.<br />Entrance areas are experienced in motion, so that only a combination of different senses can make it possible to fully grasp the ambient space based on the perception of different architectural elements, details and spaces, creating a certain congruent expectation in the person entering.<br />The precondition is a temporal and spatial attunement of the architecture to users and objectives. In addition, the consensual interpretation of the visual impression created by entrance architecture is based on consideration of the human psyche in relation to the conscious and unconscious experience and perception of certain elementary structures and maxims. The basic human experience that teaches us about force and weight has an influence on architecture to the extent that any form, any element is in some measure governed by a directional energy towards the Earth. Overcoming that inertial weight, for instance by means of a vertically aligned, high entrance portal, nearly inevitably has a symbolic connotation, such as striving for a higher goal, for power, for an encounter with the divine.<br />It is therefore essential to refer to the law of gravity in the general consideration of an entrance structure. This holds true worldwide and equally for all of us, regardless of culture, place and time. Comparisons between and interpretations of independent architectural traditions with regard to their entrance areas make it possible to determine generally applicable principles and concepts. Various analyses have shown that practically all shared concerns, all congruence and all basic ideas emerged on the basis of the laws of nature that hold true worldwide. It can be established that wherever nature once ruled the lives and survival of mankind, the orientation of the entrance axis of religious buildings was always related to certain axes existing in nature, such as that of a river, or an axis between a mountain and the sea. The sun rises in the east everywhere; it is a natural process linked to the symbolism of rebirth in various cultures. Worldview, religion and place are not decisive in this respect, as demonstrated by religious buildings with entrance areas structured as if tracing the cycle of the sun as the epitome of life. The sacred sites of Christianity, Buddhism and Hinduism hardly differ in this respect. Islam, too, knows the ritual circumambulation of sacred sites such as the Kaaba in Mecca, though in this case, believers symbolise their affiliation to creation and the universe by imitating the orbit of the solar system in their movements and circling the world (Kaaba) like celestial bodies. The ritual circumambulation of the Kaaba, i.e. the experience of the sacred site along a single, continuous path, is therefore done from the right to the left, just as the rotation of the Earth and the Earth's movement around the sun goes counter-clockwise from right to left. However, the religions listed above share a fundamental aspect: their symbolic language, expressed not in words, but in movements. It is precisely these rituals that have a prominent influence on the architectural development of entrance areas. Aligning access paths with the cardinal points of the compass, as well as with religious and political hubs, is a tradition applied to this day, one of many that have led to an internalised scale of values in human societies. The use of such traditions, as well as of generally applicable principles, legitimates the option of identifying the significance and function of a structure as early as its entrance area.<br />
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Additional information:
Abweichender Titel laut Übersetzung der Verfasserin/des Verfassers