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Titelaufnahme

Titel
Diskriminierung und das Kriterium der Gruppenzugehörigkeit
VerfasserBehrendt, Hauke
Enthalten in
Zeitschrift für Praktische Philosophie, Salzburg, 2020, 7 (2020), 1, S. 155-190
Erschienen2020
SpracheDeutsch
DokumenttypAufsatz in einer Zeitschrift
Schlagwörter (DE)Diskriminierung / soziale Gruppen / soziale Arten / Gerechtigkeit / angewandte Ethik
Schlagwörter (EN)discrimination / social groups / social kinds / justice / applied ethics
ISSN2409-9961
URNurn:nbn:at:at-ubs:3-17933 
DOI10.22613/zfpp/7.1.6 
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Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag untersucht, welche Rolle das Kriterium der Gruppenzugehörigkeit (KdG) für ein sinnvolles Verständnis von direkter Diskriminierung spielt. Dafür werden zunächst die Gründe rekonstruiert, die für die Einführung des KdG sprechen. So sind Definitionen des Diskriminierungsbegriffs, die nur auf die (unterstellte) Unterschiedlichkeit von Individuen abheben, zu weit. Auch die Einführung eines Relevanzkriteriums schafft keine Abhilfe, wie anhand einschlägiger Beispiele belegt wird. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wird ein Argument entwickelt, wonach Diskriminierung als Spezialfall ungerechter Benachteiligung anzusehen ist, die auf der (näher zu bestimmenden) Gruppenzugehörigkeit der Diskriminierten beruht. Die These lautet: Mit dem Diskriminierungsbegriff werden genau diejenigen Sachverhalte komparativer Benachteiligung eingefangen, in denen Gruppenzugehörigkeit als Unterscheidungsmerkmal fungiert. Das KdG greift damit eine besondere Kategorie von Gründen heraus, nämlich gruppenbezogene, die zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen nicht herangezogen werden dürfen. Dafür muss dem KdG allerdings eine ganz bestimmte klassifikatorische Deutung gegeben werden, die den Begriff der sozialen Gruppe spezifiziert. In seiner unqualifizierten Form beinhaltet es eine Ambiguität: So lässt sich der Passus „Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe“ sozialontologisch zum einen in einem realistischen, zum anderen in einem klassifikatorischen Sinn verstehen. Während Gruppen nach der realistischen Deutung als organisierte Zusammenschlüsse von mehreren Akteuren bestimmt werden, wie Fanclubs, Reisegruppen, Orchester usw., stellen sie nach der klassifikatorischen Deutung Klassifikationen von Individuen dar, die anhand übereinstimmender Merkmale in verschiedene sozial bedeutsame Kategorien, wie Gender, Class oder Race, unterteilt werden. Die These lautet, dass die klassifikatorische Deutung mehr Überzeugungskraft besitzt, weil sie zu starke Forderungen an die Konstitutionsbedingungen von Gruppen vermeidet, was unplausibel viele Instanzen offensichtlicher Diskriminierung ausschließen würde. Auf der anderen Seite ist das KdG auf Realgruppen als alleiniges Diskriminierungsmerkmal bezogen aber nicht einmal hinreichend. Dies verdeutlichen Gegenbeispiele, in denen Realgruppenzugehörigkeiten eine ungleiche Behandlung rechtfertigen, wie u. a. im Fall von Vereinsmitgliedschaften. Aus diesen Überlegungen folgt, dass wir das KdG im Sinne eines klassifikatorischen Diskriminierungsbegriffs spezifizieren sollten.

Abstract

This article examines the role of the criterion of group membership (CGM) for a reasonable understanding of direct discrimination and argues in favor of a classificatory reading of this criterion. In a first step, I reconstruct the reasons that speak in favor of the CGM. I argue that definitions which focus solely on the (assumed) differences between individuals are too broad. Moreover, the introduction of a relevance criterion does not remedy the situation, as is demonstrated by relevant examples. Instead, I argue that discrimination is to be regarded as a special case of unjust disadvantage which is based on the (to be specified) group membership of the discriminated persons. The thesis is: The concept of discrimination captures precisely those situations of relative disadvantage in which group membership functions as a distinguishing feature. The CGM thus highlights a special category of reasons, namely group-related reasons, which must not be used to justify unequal treatment. In order to do its argumentative work, however, a certain classificatory interpretation must be given, specifying the notion of social group. To show this, I highlight an ambiguity of the unqualified criterion: “Membership in a social group” can be understood in a realistic sense on the one hand, and in a classificatory sense on the other. According to the realistic interpretation groups are defined as organized associations of several actors, such as fan clubs, travel groups, orchestras, etc. In contrast, according to the classificatory interpretation they represent classifications of individuals on the basis of common features which are subdivided into different social kinds, such as gender, class, race. The argument is that the classificatory interpretation is more persuasive because it avoids too strong demands on the constitution conditions of groups, which would exclude implausibly many instances of obvious discrimination. Moreover, with regard to groups in the realistic sense the CGM is not even sufficient. This can be illustrated by counterexamples in which real group membership justify unequal treatment, as in the case of club memberships. These considerations explain why we should specify the CGM in favor of a classificatory concept of discrimination.

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