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Titelaufnahme

Titel
Willensfreiheit als existentielle Praxis
VerfasserRichter, Matthias
Enthalten in
Zeitschrift für Praktische Philosophie, Salzburg, 2020, 7 (2020), 1, S. 69-102
Erschienen2020
SpracheDeutsch
DokumenttypAufsatz in einer Zeitschrift
Schlagwörter (DE)Freiheit / Determinismus / Existenzialismus / Praxis / Begegnung
Schlagwörter (EN)Freedom / Determinism / Existentialism / Practice / Encounter
ISSN2409-9961
URNurn:nbn:at:at-ubs:3-17902 
DOI10.22613/zfpp/7.1.3 
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Zusammenfassung

Vor der Moderne noch wurde die Frage des freien Willens meist im Lichte des gelingenden Lebens und damit auch eines ‚guten‘ oder ‚vernünftigen‘ Willens gesehen. Damit war die Frage des freien Willens zugleich eine Frage der Beziehung zu existentiell erfahrbaren Werten wie dem ‚Guten‘ oder ‚Gott‘ bzw. zum anderen als Selbstwert. Heute, in Zeiten der Individualisierung und Zweckrationalisierung, neigen wir jedoch dazu, die Frage der Willensfreiheit isoliert von unseren Wert-Beziehungen als zweckrational-einsame Entscheidung zu betrachten. Im vorliegenden Artikel soll gezeigt werden, inwiefern diese Engführung des Handlungsbegriffs bei einem durchaus zentralen Punkt der aktuellen Freiheitsdebatte entscheidend sein kann: Nämlich, ob wir auch hätten anders handeln können, als wir faktisch gehandelt haben. Der strenge Naturalismus blickt bei dieser Frage der ‚kontrafaktischen Handlungsalternative‘ auf das einsame Subjekt und neigt dazu, dieses auf einen psychophysischen Zustand zu reduzieren. Es ist diese Hinsicht, durch die uns der Naturalismus unser Handeln vor die irreführende Alternative zwischen Determinismus und Willkür stellt – eine wirklich freie Handlung kann so aber nicht sinnvoll vorgestellt werden. Blicken wir stattdessen aus existentieller Perspektive auf die Frage der Willensfreiheit, dann werden wir auf eine bestimmte zwischenmenschliche ‚Praxis‘ verwiesen, wie Personen sie insbesondere im ‚Versprechen‘ und ‚Verzeihen‘ anschaulich vollziehen. In Akten des Versprechens und Verzeihens wenden wir uns an unser Gegenüber als absoluten Wert bzw. Selbstwert. Mit dieser existentiellen Zuwendung öffnen wir einen zwischenmenschlichen Raum, der sich nicht mehr auf einen determinierten psychophysischen Zustand reduzieren lässt. Hier zeigt sich uns eine kontrafaktische Handlungsalternative in freier Bestimmtheit, die die irreführende naturalistische Alternative von Determinismus und Willkür kategorial überwindet.

Abstract

In pre-modern times the question of free will was mainly seen in the light of eudaimonia, and thereby also as a ‘good’ or ‘rational’ will. The question of free will was unanimously a question of relationship to existentially experienceable values like the ‘Good’ or ‘God’, or respectively, the other as an unique value of itself. Today, in times of individualization and instrumental rationality, we tend to pose the question of free will quite isolated from our values, as a rational and lonely decision. The present paper aims to demonstrate how this restriction of agency might be defining for a rather crucial aspect of the contemporary free will debate: could we have acted differently from how we did act? Strong Naturalism is looking within this context of counterfactual agency at the lonesome subject and thereby tends to reduce it to a psychophysical condition. It is through this perspective that Strong Naturalism confronts us with the confusing alternative between Determinism and Arbitrariness. However, in this way free agency cannot be conceived as such in any meaningful way. Contrarily, if we are looking at the question of free will from an existential perspective we are referred to an intersubjective practice individuals use in particular in the context of ‘promising’ and ‘forgiving’. In the act of promising and forgiving we address the other as a value in and of itself. Such intersubjective encounters open a counterfactual alternative agency in free self-determination, thereby categorically overcoming the confusing Naturalist alternative of Determinism and Arbitrariness.

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