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Titelaufnahme

Titel
Zeitpolitik : Beschleunigung als Herausforderung der politischen Philosophie
VerfasserMüller-Salo, Johannes ; Westphal, Manon
Enthalten in
Zeitschrift für Praktische Philosophie, Salzburg, 2018, 5 (2018), 2, S. 15-40
Erschienen2018
MaterialOnline-Ressource
SpracheDeutsch
DokumenttypAufsatz in einer Zeitschrift
Schlagwörter (DE)Befristung / Beschleunigung / deliberative Demokratie / funktionale Differenzierung / Kompromiss
Schlagwörter (EN)Acceleration / compromise / deliberative democracy / functional differentiation / sunset legislation
ISSN2409-9961
URNurn:nbn:at:at-ubs:3-10682 
DOI10.22613/zfpp/5.2.1 
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Zusammenfassung

In der Soziologie der Zeit sind in den vergangenen Jahren Prozesse gesellschaftlicher und politischer Beschleunigung diskutiert worden, die demokratische Politik vor große Herausforderungen stellen. Diese Herausforderungen und Antwortstrategien, die der politischen Philosophie zur Verfügung stehen, werden im vorliegenden Aufsatz diskutiert. Dabei wird von der Beschleunigungsdiagnose Hartmut Rosas ausgegangen. Rosa zufolge ist die Moderne durch die funktionale Differenzierung der Gesellschaft geprägt, durch die Entstehung gesellschaftlicher Teilsysteme, die ihrer jeweils eigenen Funktionslogik folgen. Charakteristisch für diese Teilsysteme sei die Entwicklung eigener Zeitrhythmen, die sich in unterschiedlichem Maße beschleunigen lassen. Dieses führe zu unterschiedlichen Entscheidungsgeschwindigkeiten– mit fatalen Folgen für die politische Steuerungsfähigkeit der Gesellschaft: Da demokratische Politik nur in Grenzen beschleunigt werden kann, werde die Politik von anderen Teilsystemen abgehängt, in denen – wie etwa in der Wirtschaft, der Finanzwelt und der Wissenschaft – deutlich schneller entschieden wird. Die Politik könne auf diese Systeme keinen maßgeblichen Einfluss mehr nehmen, bestenfalls auf dort getroffene Entscheidungen reagieren, aber nicht mehr effektiv gestalten.

Zentrale Theorieansätze in der gegenwärtigen politischen Philosophie – etwa Theorien deliberativer Demokratie – entwickeln Vorschläge zur Verbesserung demokratischer Prozesse, die mit einer Intensivierung des Zeitaufwandes für politisches Handeln einhergehen und so lange als unrealistisch erscheinen müssen, wie auf die Beschleunigungsdiagnose keine überzeugende Antwort gefunden ist. Eine Theorie effektiver Zeitpolitik vermag eine solche Antwort zu geben. Dieser Artikel entwickelt die Konturen einer solchen Theorie in zwei Schritten. Zunächst wird herausgearbeitet, inwiefern Rosas Diagnose auf einer spezifischen, starken Interpretation der These funktionaler Differenzierung beruht, die zu problematisieren und durch ein alternatives Verständnis funktionaler Differenzierung zu ersetzen ist. Auf dieser Grundlage werden zwei Instrumente politischer Entscheidungsfindung – Befristung und Kompromiss – sowie ein politisches Handlungsfeld – die globale Politik – benannt, die das Programm einer effektiven Zeitpolitik veranschaulichen können.

Abstract

Within the last ten years, sociologists of time discussed several processes of societal and political acceleration that deeply influence the shape and scope of democratic politics. This paper discusses how political philosophy can confront the problem of acceleration and defend the possibility of democratic self-government. The sociological analysis of acceleration is discussed by reference to the influential work of Hartmut Rosa. According to Rosa, modern societies are functionally differentiated. Different subsystems fulfil different functions and each subsystem develops its own functional logic and “time rhythm”, i.e. its own speed of decision-making. The process of decision-making can be accelerated, but only to a certain degree and depending on the specific nature of the subsystem. As a consequence, different subsystems possess very different speeds of decision-making: while high-speed decisions are possible in economics, financial markets and science, the political system cannot be accelerated to a similar degree. Rosa concludes that democratic politics therefore loses its influence on other subsystems operating with higher speed. It mainly reacts to decisions made elsewhere, but does no longer effectively shape society. Important theories within current political philosophy, e.g. theories of deliberative democracy, propose reforms of political systems that render politics more inclusive and participatory, but will lead to forms of decision-making that are far more time-consuming. Such theories are too abstract and remain unrealistic as long as they provide no convincing answer to the diagnosis of acceleration. This paper develops such a two-stage answer that aims to defend the possibility of an effective “politics of time” in order to preserve those temporal scopes that are needed for democratic decision-making. First, a premise that is central to Rosa’s argument will be analyzed: it relies on a strong interpretation of functional differentiation, which can be criticized and replaced by an alternative interpretation. Based on this proposal, we will, second, explore two instruments of decision-making – sunset legislation and compromise – and one policy field – global politics – that illustrate the agenda of an effective“politics of time”.

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