Spannungsabhängige Natriumkanäle (VGSCs) ermöglichen die Auslösung und Weiterleitung von Aktionspotentialen in erregbaren Zellen. Unterschiedliche Isoformen von VGSCs sind in einer Vielzahl von physiologischen und pathophysiologischen Vorgängen involviert. Daher stellen diese Moleküle wichtige Zielstrukturen für die Entwicklung von Pharmaka dar. Lokalanästhetika (LAs) sind bekannte Blocker von VGSCs mit einem komplexen Wirkmechanismus. Nach einer Depolarisation der Zellmembran entwickeln VGSCs eine Reihe unterschiedlicher inaktivierter Zustände. LAs können sowohl an schnelle inaktivierte Zuständen als auch an langsam inaktivierte Zustände binden. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Charakteristika der Bindung von LAs an unterschiedliche inaktivierte Zustände zu untersuchen.
Methoden und Resultate: Im mittleren Anteil des S6 Segments der 4. Domäne des Skelettmuskelnatriumkanals (rNav1.4) wurden die nativen Aminosäuren seriell durch Cysteine ersetzt. Die Konstrukte wurden transient in tsA201 Zellen exprimiert und mit Hilfe der Patch Clamp Technik bezüglich des Zeitverlaufs der Erholung von langsamer und schnelle Inaktivierung untersucht. Der Zeitverlauf der Erholung von kurzen und langen inaktivierenden Präpulsen wies jeweils zwei bzw. drei exponentielle Phasen auf. Wir bezeichnen die diesen Erholungsphasen zugrunde liegenden inaktivierte Zustände jeweils als schnelle, intermediäre und langsame Inaktivierung (IF, IM and IS). Die durchgeführten Mutationen veränderten sowohl die relativen Amplituden als auch die Zeitkonstanten der Erholung von diesen Zuständen. Die Superfusion der Zellen mit dem LA Lidocain (LI) führte zu Veränderungen der jeweiligen Amplituden von IF, IM and IS welche spezifisch für die jeweiligen Mutationen waren.
Nach kurzen Depolarisationen erhöhte LI die Amplitude einer Erholungsphase die ähnliche Charakteristika wie die Erholung von dem nativen IM Zustand hatte. Daher könnte LI zu einer Stabilisierung des IM Zustands führen. Jedoch konnte keine Korrelation zwischen den für die jeweiligen Mutationen spezifischen Eigenschaften des nativen IM Zustands und der jeweils durch LI modifizierten langsamen Inaktivierung festgestellt werden. Andererseits wurde eine solche Korrelation für die Erholungsphase nach langen Depolarisationen gefunden. Diese Ergebnisse legen nahe, dass während kurzer Depolarisationen LI an den IF Zustand bindet und danach langsam abdissoziiert. Während langer Depolaristationen hingegen scheint LI an den IM Zustand zu binden und diesen zu stabilisieren.
Die Mutation W1531G im der „P-Schleife“ der Domäne IV öffnet einen schnellen Zugangs- und Dissoziationsweg für LI vom bzw. in das extrazelluläre Medium. In dieser Mutante dissoziierte LI sehr schnell vom IF Zustand aber stabilisierte den IM Zustand während langer Depolarisationen.
Schlussfolgerung: Während langer Depolarisationen erholen sich VGSCs von einem Minimum von drei inaktivierten Zuständen. Während kurzer Depolarisationen bindet LI an den schnellen inaktivierten Zustand und dissoziert danach langsam ab. Während langer Depolarisationen bindet LI an den intermediär inaktiviertem Zustand und stabilisiert denselben. Der Mechanismus der Bindung von LI hängt damit von der Dauer der Depolarisation ab.