Problemstellung: Parodontitis stellt eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparates dar, die in einem fortgeschrittenen Stadium zu einer vermehrten Osteoklastenaktivierung und somit zur Zerstörung des parodontalen Halteapparates mit der Bildung von infraalveolären Defekten führt. Um eine parodontale Regeneration zu erreichen, können diese Defekte chirurgisch behandelt werden. Die parodontale Regeneration wird als vollständige Heilung und Bildung von Alveolarknochen, parodontalem Ligament und Zement beschrieben. Die Charakterisierung der Morphologie infraalveolärer Defekte spielt eine wichtige Rolle bei der Planung und der Prognose der chirurgischen Therapie. Bisherige Techniken zur Analyse der Knochenqualität und -morphologie, wie zum Beispiel die Histomorphometrie, sind zwei-dimensional, zeit- und kostenintensiv und resultieren in der Zerstörung der strukturellen Integrität des Präparates. Bisherige Studien (Park et al., 2007; Gonzáles García et al., 2012) zeigten, dass die Microcomputertomographie (µ-CT) eine zuverlässige Methode zur quantitativen und qualitativen Analyse mineralisierter Strukturen darstellt. Die Charakterisierung der Knochenmorphologie infraalveolärer Defekte um Zähne mittels µ-CT beschränkt sich größtenteils auf Tiermodelle nach experimentellem Knochenverlust (Chang et al., 2012; Ebina et al., 2009; Park et al., 2007), sowie auf wenige humane Studien in Kombination mit regenerativen Therapien, wie die "Guided Tissue Regeneration" (Nevins et al., 2005). Ziel dieser Diplomarbeit ist es, mittels µ-CT anatomisch-morphologische Gegebenheiten und die Knochenqualität um infraalveoläre Knochendefekte beim menschlichen Alveolarknochen zu charakterisieren.
Methoden: Segmente von Ober- und Unterkiefer wurden von menschlichen Leichen des Anatomischen Instituts der medizinischen Universität Wien entnommen und mit einem µ-CT (Viscom X8060 NDT) mit einer Auflösung von 25 µm gescannt. Die erhaltenen Daten wurden dreidimensional rekonstruiert und statistisch ausgewertet. Zehn einwurzelige Zähne, welche infraalveoläre Defekte vorwiesen, wurden mit dem den Zahn umgebenden Knochen mittels linearen und volumetrischen Parametern analysiert. Untersuchte Parameter beinhalteten die Knochendichte Bone Volume/Tissue Volume (BV/TV) des den Defekt umgebenden Knochens im Vergleich zum intakten Alveolarknochen in 0,25 mm Schritten bis zu vier Schichten. Zusätzlich wurden BV/TV und die Knochenporosität der ersten 100µm des den Zahn umgebenden Knochens, das Defektvolumen und die mittlere Parodontalspaltbreite evaluiert.
Ergebnisse: Statistische Analysen des BV/TV zeigten einen Abfall in tieferen Knochenschichten der Defektseite im Vergleich zur Kontrollgruppe (Spiegelseite). Bei der Spiegelseite war der Abfall von BV/TV signifikant höher als bei der Defektseite. Bei der Analyse der Knochenqualität wurden die Breite des Parodontalspalts, die Wurzellänge und die Defekttiefe berücksichtigt. P-Werte unter 0,05 wurden als statistisch signifikant angesehen. Das mittlere Defektvolumen betrug 3.36 mm³ und die mittlere Breite des Parodontalspalts 0,46 mm. Die Messungen der Knochenporosität zeigten bei der Defektseite eine mittlere Porenanzahl von 12,7 und 15,1 bei der Spiegelseite.
Diskussion: Das µ-CT bietet eine dreidimensionale und zerstörungsfreie Technik zur Analyse von Knochen- und Zahnstrukturen. Diese Grundlagenarbeit ist die erste Arbeit zur Untersuchung menschlicher, infraalveolärer Defekte mittels einer µ-CT Analyse. Aus der Arbeit ging hervor, dass die Charakterisierung des den Defekt umgebenden Knochens anhand eines µ-CT wertvolle Informationen für zukünftige Therapiemöglichkeiten liefern könnte.