Einleitung: Ausgeprägte Dysgnathieformen des dentofazialen bzw.
dentoskelettalen Systems können einen bimaxillären Eingriff erforderlich machen, um ein sowohl funktionell als auch ästhetisch zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen. Soll das gewünschte Behandlungsziel durch eine intraoperative Rotation des maxillomandibulären Komplexes erreicht werden, so führt dies auch zu einer Veränderung der Okklusionsebenenneigung.
Ziel: Das Ziel dieser retrospektiven Studie war die Erfassung einer möglichen Veränderung der Okklusionsebeneneigung nach bimaxillären Eingriffen und ein eventuell damit in Zusammenhang stehendes erhöhtes Rezidivrisiko.
Methoden: Die retrospektive Vermessung der digitalen Fernröntgenseitbilder mittels OnyxCeph*3 Software von 54 bimaxillär operierten Patienten des SMZ-Ost Donauspitals Wien betraf Operationen der Jahre 2004, 2005 und 2006, nämlich jene die eine Kombination aus Le Fort I und BSSO mit oder ohne Genioplastik erhielten. Außerdem bedurfte es präoperativer, unmittelbar postoperativer, sowie 1-Jahr- und 5-Jahres postoperativer Fernröntgenseitbilder. Die kephalometrischen Messungen bestanden aus dem Winkel ANB, Wits appraisal, ODI, APDI, Winkelsumme im Björk'schen Polygon, Inklination der oberen und unteren Inzisivi, Overbite, Overjet. Weiters wurden die Angle Klasse und die Neigung der Okklusionsebene nach Downs, der anterioren und der posterioren Okklusionsebene zur Sella-Nasion-Linie und zur Frankfurter Horizontale zu den vier genannten Zeitpunkten erhoben.
Ergebnisse: Der präoperative, postoperative, 1 Jahr und 5 Jahre postoperative ANB-Winkel korrelierte signifikant mit dem PPAB-Wert (APDI) der 4 Erhebungszeitpunkte (r=-0.903, r= -0.628, r= -0.710, r= -0.701). Trotzdem stimmte die skelettale Klasseneinteilung nach dem ANB-Winkel nicht in allen Fällen mit jener des PPAB-Wertes (APDI) überein. Die postoperative Veränderung der Neigung der anterioren Okklusionsebene zur Frankfurter Horizontale war signifikant (p= 0,002), jene der posterioren Okklusionsebene zur Frankfurter Horizontale von präoperativ nach postoperativ war ebenfalls signifikant (p= 0,000).
Fünfzehn Patienten mit präoperativ skelettaler Klasse II (n=15 laut Winkel ANB, n=18 laut APDI) wiesen präoperativ neutrale, verminderte und erhöhte Neigungen der posterioren Okklusionsebene auf. Bei 12 bzw. 16 Klasse-II-Patienten (80 % laut ANB, 89 % laut APDI) blieb die Neigungscharakteristik der Okklusionsebene postoperativ unverändert. Für die Klasse-III-Patientengruppe (n=24 bzw. n= 28) bestand bei 3 (i.e. 13 % nach ANB bzw. 11 % laut APDI) präoperativ eine neutrale Neigungscharakteristik der posterioren Okklusionsebene. Bei 21 bzw. 25 Patienten mit Klasse III (88 % laut ANB bzw. 89 % laut APDI) lag präoperativ eine verminderte Neigung vor. In beiden Klassifizierungsgruppen erfuhren 8 der Klasse-III-Patienten eine postoperative Korrektur von einer verminderten in eine neutrale Neigungscharakteristik (33 % bzw. 29 %). Es bestand eine signifikante Wechselwirkung (p= 0,008) zwischen präoperativem ANB-Winkel und der zeitlichen Veränderung der Neigung der posterioren Okklusionsebene.
Hinsichtlich der postoperativen Stabilität des ANB- und PPAB-Wertes gab es zwischen jenen Patienten mit postoperativem Wechsel der Okklusionsebenenneigungscharakteristik und jenen ohne Wechsel keinen signifikanten Unterschied.
Schlussfolgerung: Diese retrospektive Studie zeigte keine Beeinflussung des Rezidivrisikos durch eine veränderte Okklusionsebenenneigung. Anhand der Daten besteht keine Notwendigkeit der Berücksichtigung dieser operationsbedingten Veränderung der Okklusionsebenenneigung in präoperativen Planungen. Jedoch sollte diese Erkenntnis durch weitere Studien untermauert werden.