Leichte bis moderate Blutungsneigungen stellen einen häufigen Grund für Untersuchungen der Blutgerinnung im Erwachsenenalter dar.
Trotz gründlicher Untersuchung kann in der Mehrzahl der Patienten keine Diagnose gestellt werden. Das Ziel der Arbeit war, neue Ursachen für Blutungsneigungen zu finden.
Zwei Kohorten wurden im Rahmen dieser Arbeit analysiert: in der "Vienna Bleeding Study" (VIBS) erfolgte die Analyse von Patienten im Vergleich zu einer Gruppe gesunder Kontrollen (Fall-Kontroll-Studie), die "Vienna Bleeding Biobank" (VIBB) besteht aus einer laufenden Sammlung von Patienten.
Im Rahmen des ersten Teils der Arbeit untersuchten wir das Vorliegen von Veränderungen von Gerinnseln aus Plasma mittels eines turbidimetrischen Verfahrens. Die Ergebnisse dieses Projekts wurden in der Zeitschrift "Annals of Hematology" zur Publikation angenommen. Patienten mit Blutungsneigung hatten in der turbidimetrischen Untersuchung der Lyse eines Plasmagerinnsels nach Hinzufügen von rtPA eine geringere Rate der Gerinnselbildung, erfasst durch den Parameter Vmax, als gesunde Kontrollen. Diese Veränderung konnten wir auch im Vergleich von Patienten mit angeborenen Faktor VIII (FVIII) Mangel zeigen: Patienten mit schwerem FVIII Mangel (FVIII <1%) haben eine niedrigere Rate der Gerinnselbildung, repräsentiert durch Vmax, als Patienten mit leichtem Mangel (FVIII 10-30%).
Der zweite Teil der PhD Arbeit beinhaltet zunächst eine genaue Beschreibung der Patienten-Kohorte, welche im Rahmen der VIBB rekrutiert wurde. Wir konnten bei 72% dieser Patienten mit milder bis moderater Blutungsneigung keine Diagnose einer Gerinnungstörung etablieren. Es fand sich kein Unterschied im Schweregrad der Blutungsneigung zwischen Patienten mit und ohne einer Diagnose. Ein weiteres Ziel dieses Teiles der Arbeit war, das Vorliegen einer Hyperfibrinolyse als mögliche Ursache für eine vermehrte Blutungsneigung zu untersuchen. Es zeigten sich interessante Unterschiede in den gemessenen Fibrinolyse-Parametern zwischen Patienten und Kontrollen:
Patienten zeigten eine höhere tPA- Aktivität, niedrigeres tPA Antigen und niedrigere Werte der tPA-PAI-1 Komplexe. Ein Mangel an PAI-1 (<1 U/mL) konnte gleich häufig bei Kontrollen (33.3%) und Patienten (32.9%) gefunden werden. In einer getrennten Analyse von Männern und Frauen zeigte sich bei Männern in der Gruppe der Kontrollen viel seltener ein Mangel an PAI-1 als in der Gruppe der Patienten. Überraschenderweise waren die Werte der Fibrinolyse-Inhibitoren TAFI und [alpha]2-antiplasmin in der Gruppe der Patienten höher als bei Kontrollen. In einer getrennten Analyse von Patienten ohne einer etablierten Diagnose im Vergleich zu gesunden Kontrollen zeigten sich ähnliche Unterschiede: die tPA Aktivität war höher in der Patientengruppe, während die Werte von tPA Antigen und tPA-PAI-1 Komplexen niedriger waren. Im Rahmen dieser Arbeit haben wir ein breites Spektrum von Parametern zur Bestimmung der Fibrinolyse untersucht. Manche Ergebnisse sind unerwartet, da sie nicht den auf Grundlage der Pathophysiologie erwarteten Resultaten entsprechen. Dennoch decken sich unsere Ergebnisse teilweise mit den in der Literatur beschriebenen Untersuchungen von Patienten mit Blutungsneigungen. Aus unseren Daten können wir folgende Schlussfolgerungen ziehen:
1.Die Gerinnselbildung aus Plasma in Anwesenheit von rtPA unterscheidet sich zwischen Patienten mit Blutungsneigung und gesunden Kontrollen. 2.Die gesteigerte tPA Aktivität und die verminderten Werte von tPA-PAI-1 Komplexen in der Patientengruppe könnten auf eine ätiologische Bedeutung des fibrinolytischen Systems bei Blutungsneigungen hinweisen. 3.Ein Mangel an PAI-1 war ein häufiger Befund bei Patienten und Kontrollen. Bei Männern war ein PAI-1 Mangel in der Gruppe der Kontrollen nur sehr selten zu finden. Folglich könnte ein Mangel an PAI-1 eine klinisch relevante Ursache für Blutungsneigungen bei Männern, aber nicht bei Frauen, sein.