Mittels orthognathchirurgischer Eingriffe werden skelettale Fehlentwicklungen des Kauor-gans, im Fachjargon als skelettale Dysgnathien bezeichnet, korrigiert. Neben bilateralen sagittalen Spaltosteotomien werden auch Le Fort I Osteotomien oder Kinnplastiken durchge-führt. Trotz ständiger Adaptierungen und Modifizierungen der Operationstechniken im Be-reich der Orthognathchirurgie, besteht immer noch ein (Rest-) Risiko für Komplikationen.
Als Hauptkomplikation gilt eine Sensibilitätsstörung im Versorgungsgebiet des Nervus alveo-laris inferior, hervorgerufen durch eine intraoperative Schädigung des genannten Nervs.
Mittels Fragebogen sollte untersucht werden, in wie weit Patienten nach über einem Jahrzehnt postoperativ noch unter Sensibilitätsstörungen leiden, und wie sich diese Gefühlsstörungen auf die Lebensqualität auswirken.
Es wurden drei Hypothesen aufgestellt. Hypothese eins bezieht sich auf den Zusammenhang der Areale der Sensibilitätsstörung und der Lebensqualität.
Diese Hypothese postuliert, dass die Lebensqualität umso stärker beeinträchtigt ist, je mehr Areale Sensibilitätsstörungen aufweisen. Der Schweregrad der Gefühlsstörungen in Bezug zur Lebensqualität wird in Hypothese zwei behandelt. Je schwerwiegender die Gefühlsstörun-gen ausgeprägt sind, desto stärker ist die Lebensqualität - laut Hypothese zwei - einge-schränkt. Und Hypothese drei nimmt Bezug auf die Häufigkeit der Gefühlsstörung und die Lebensqualität. Diese Hypothese postuliert, dass die Lebensqualität umso stärker beeinträch-tigt ist, je häufiger Gefühlsstörungen auftreten.
Zur Prüfung der drei Hypothesen wurde ein Test auf Korrelation durchgeführt, wobei die Korrelationskoeffizienten nach Spearman berechnet wurden. Die Tests wurden auf einem zweiseitigen Signifikanzniveau von 5% durchgeführt.
25 der durch die befragten Patienten beantworteten Exemplare des auf wissenschaftliche Standards überprüften Fragebogens konnten ausgewertet und folglich auf die drei verfassten Hypothesen überprüft werden.
Hypothese eins wurde bestätigt indem gezeigt werden konnte, dass die Lebensqualität umso stärker beeinträchtigt war, je mehr Areale Sensibilitätsstörungen aufwiesen. (Frage 1) Die Vermutung in Hypothese 2, dass die Lebensqualität umso stärker beeinträchtigt war, je schwerwiegender die Gefühlsstörungen ausgeprägt waren, konnte ebenfalls bewiesen werden. (Frage 3) Die Beeinträchtigung der Lebensqualität zeigte sich unabhängig von der Häufigkeit der Ge-fühlsstörungen, womit Hypothese Nummer drei nicht als zutreffend ausgewertet werden konnte. (Frage 8) Neben den drei Haupthypothesen wurden in der Arbeit auch Zusammenhänge von Sensibili-tätsstörungen mit dem Alter der Patienten zum Zeitpunkt der Operation, dem Operationsver-fahren, der Verlagerungsrichtung der Mandibula, der Fixierungsart sowie mit dem Zeitraum zwischen Operation und Nachuntersuchung diskutiert.
So war die größte Gruppe der Personen mit immer noch bestehenden Sensibilitätsstörungen jene, welche zum Zeitpunkt der Operation über 40 Jahre alt waren. Von den Befragten wur-den die Störungen als täglich auftretend beschrieben.
Der Umfang der Operation, also ob die BSSO in Kombination +/- Le Fort I Osteotomie +/- Genioplastik durchgeführt wurden, hatte ebenso Einfluss auf das Ausmaß der Störungen. Den größten Anteil der Befragten mit immer noch bestehenden Gefühlsstörungen machten jene aus, welche sich der Kombination BSSO + Le Fort I Osteotomie + Genioplastik unterzogen.
Bezüglich Schweregrad der Beeinträchtigung im täglichen Leben konnte kein signifikanter Unterschied festgestellt werden. Für die Fixierung werden standardmäßig Stellschrauben oder Osteosynthese-Miniplatten verwendet. Am meisten in der Lebensqualität beeinträchtigt waren jene Befragten, welche sowohl mittels Stellschrauben als auch mit Miniplatten versorgt wur-den. Ein Einfluss der Fixierung auf die Lokalisation der Gefühlsstörungen konnte nicht ge-zeigt werden. Ebenso wenig zeigte sich ein Zusammenhang zwischen Art der Unterkieferver-lagerung (Vor-, Rückerverlagerung) und Sensibilitätsstörung.
Die geringe Rücklaufquote an beantworteten Fragebögen könnte ein Indiz dafür sein, dass die Patienten über 10 Jahre post-operativ keine Sensibilitätsstörungen mehr haben oder sie sich durch diese in Ihrer Lebensqualität nicht mehr beeinträchtigt fühlen und keine Motivation besteht, mit der Abteilung, die einst die Operation durchgeführt hat, Kontakt aufzunehmen.