Myeloproliferative Neoplasien (MPN) sind hämatopoietische Stammzellerkrankungen, die durch eine abnorme Proliferation myeloischer Zellen sowie durch pathologische Veränderungen des Knochenmarkstromas (insbesondere Neoangiogenese und Knochenmarksfibrose) gekennzeichnet sind. Einen wesentlichen Faktor in der Enstehung von MPN stellen konstitutiv aktivierte Tyrosinkinasen (BCR/ABL, JAK2 V617F, KIT D816V und FIP1L1/PDGFRA) dar. Bisher ist allerdings wenig über die Effekte dieser Onkoproteine auf die Expression nachgeschalteter Proteine sowie deren potentielle pathogenetische Bedeutung bekannt.
In der vorliegenden Arbeit wurde die Expression und Funktion des Fibrose fördernden und angiogenetisch wirkenden Zytokins Oncostatin M (OSM) in JAK2 V617F+ MPN (Polycythaemia vera, Essentielle Thrombozythämie und Osteomyelofibrose) und in KIT D816V+ MPN (Systemische Mastozytose) untersucht. Wir konnten zeigen, dass die Expression beider Onkoproteine, sowohl von JAK2 V617F als auch von KIT D816V, zur Hochregulierung von OSM in verschiedenen Zelllinienmodellen führt. Mittels Immunhistochemie und Real-Time-PCR konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass primäre neoplastische Zellen von MPN Patienten OSM auf hohem Niveau exprimieren.
In einem Teil der Patienten konnten auch erhöhte OSM-Serumspiegel dokumentiert werden.
Um die Mechanismen der OSM Expression in MPN näher zu untersuchen, wurden Schlüsselmoleküle in der Signaltransduktion von JAK2 V617F und KIT D816V analysiert. Hemmung des Transkriptionsfaktors STAT5 - sowohl pharmakologisch mittels Piceatannol, als auch durch RNAi-mediierte Unterdrückung der STAT5 Expression - führte zu einer signifikanten Verminderung der Onkoprotein-induzierten OSM Expression. Durch Überexpression der konstitutiv aktivierten S710F STAT5 Mutante wurde die Expression von OSM hingegen gefördert.
Um die Funktion von OSM zu untersuchen, wurden Zellen des Knochenmarkstromas mit Zellkulturüberständen von JAK2 V617F+ bzw. KIT D816V+ neoplastischen Zellen inkubiert. In diesen Experimenten konnten wir zeigen, dass OSM die Proliferation von Fibroblasten, Osteoblasten und Endothelzellen fördert. Darüber hinaus fanden wir, dass OSM auf die Zytokinexpression in Fibroblasten Einfluss nimmt. OSM führte zur Hochregulierung von Fibrose fördernden und angiogenetisch wirkenden Zytokinen (unter anderem HGF, VEGF und SDF-1) in Fibroblasten.
Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass OSM sowohl direkt als auch indirekt (über die Regulierung der Zytokinproduktion in Fibroblasten) wesentlich zu der im Knochenmark von MPN Patienten beobachteten Fibrose und Neoangiogenese beiträgt. OSM könnte in der Zukunft daher ein neues therapeutisches Ziel in Patienten mit JAK2 V617F+ bzw. KIT D816V+ MPN darstellen.