Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Auswirkungen von Gewalterfahrungen auf die Gesundheit von betroffenen Frauen zu spezifizieren. Hierzu wird ausgehend vom theoretischen Konzept, dass besonders Traumatisierungen in der Kindheit und Jugend zu vielfältigen Traumafolgestörungen führen, die von klassischen Posttraumatischen Belastungsstörungen über komplexe posttraumatische Belastungsstörungen und Persönlichkeitsstörungen bis hin zu dissoziativen Störungsbildern mit der extremsten Form der dissoziativen Identitätsstörung reichen sowie der Annahme, dass sich diese Beeinträchtigungen durch traumatische Erfahrungen auch auf psychosomatischer Ebene äußern, der Zusammenhang zwischen Gewalterlebnissen und Folgestörungen, speziell für psychosomatische Beschwerdebilder, untersucht und spezifiziert. Dazu werden bestimmte Symptome oder Symptomgruppen auf die Art des erlebten Traumas zurückgeführt. Ein besonderes Augenmerk wird auf die somatoformen Symptome der Patientinnen gelegt, die oft als körperliche Erkrankungen verkannt, falsch behandelt und dadurch chronifiziert werden. In dieser Arbeit wird angenommen, dass die somatischen sowie die somatoform-dissoziativen Beschwerden von PatientInnen bei allen traumaassoziierten Störungen von Bedeutung sind und ihr Zusammenhang mit erlebter Gewalt Konsequenzen für die Anamneseerhebung sowie für die Wahl der Behandlungsstrategie beinhaltet. Neben den diesbezüglichen theoretischen Überlegungen wurde zur empirischen Testung des Konzeptes eine Untersuchung durchgeführt, für die ausführliche narrative Krankengeschichten bzw. deren quantitative und qualitative Auswertung von insgesamt 156 Patientinnen mit Gewalterfahrungen zur Verfügung standen, die sich aus einer Totalerhebung der PatientInnen der Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie der Jahrgänge 1990-1996 ergaben.
Die statistische Auswertung lieferte Ergebnisse, die die Aussage erlauben, dass körperliche Gewalterfahrungen mit dem Störungsbild der Posttraumatischen Belastungsstörung, sexuelle Gewalterfahrungen hingegen mit dem Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung, speziell der Borderline-Persönlichkeitsstörung, zusammenhängen. Weiters zeigten die Patientinnen mit Gewalterfahrungen eine deutliche Erhöhung der Zahl der somatischen Beschwerden, wobei bei der Spezifizierung Zusammenhänge zwischen (den) körperlichen Gewalterlebnissen und den somatischen Beschwerden gefunden wurden. Bezüglich der posttraumatischen Störungsbilder konnten für die Posttraumatische Belastungsstörung sowie für die Borderline-Persönlichkeitsstörung Zusammenhänge mit den psychosomatischen Beschwerden der Patientinnen gezeigt werden. Aus diesen Ergebnissen lässt sich ein Zusammenhang zwischen den körperlichen Gewalterlebnissen, den psychosomatischen Beschwerden und der Posttraumatischen Belastungsstörung sowie ein Zusammenhang zwischen sexuellen Gewalterlebnissen, einem hohen Ausmaß an körperlichen Beschwerden und der Borderline-Persönlichkeitsstörung erkennen.
Zusätzlich zeigten die Analysen Unterschiede in der Ausprägung der Somatoformen Dissoziation für das Erleben von körperlicher Gewalt sowie für das Vorliegen posttraumatischer Störungen, wie die Posttraumatische Belastungsstörung und die Borderline-Persönlichkeitsstörung. Die in dieser Arbeit theoretisch angenommenen und gezeigten Zusammenhänge der somatischen sowie der somatoform-dissoziativen Symptome sowohl mit erlebter Gewalt als auch mit Traumafolgestörungen, ziehen therapeutische Konsequenzen nach sich, die sich einerseits auf die Notwendigkeit einer genauen Abklärung erlebter Traumata bei der Anamneseerhebung beziehen und andererseits eine Konzentration auf die verursachenden Bedingungen und die Berücksichtigung der Dissoziationsneigung der PatientInnen bei den Behandlungsstrategien nahelegen.