Aufgrund der hohen Proliferationsrate von Krebszellen und dem damit verbundenen erhöhten Bedarf an Desoxyribonukleotiden wurden gezielte Chemotherapeutika entwickelt, welche die Ribonukleotidreduktase inhibieren. Die Ribonukleotidreduktase (RR) ist ein wichtiges Enzym, das an der Umwandlung von Ribonukleotiden in Desoxyribonukleotide beteiligt ist. Aufgrund dieses limitierenden Schrittes während der DNA de novo-Synthese stellt die RR ein geeignetes Ziel für die Behandlung von Krebs dar. Die zweite Untereinheit (R2) der RR enthält ein Eisenzentrum, welches einen Tyrosylradikal stabilisiert. Mit dem Ziel, dieser Stabilisierung des Tyrosylradikals im Eisenzentrum entgegenzuwirken, wurden in den letzten Jahrzehnten mehrere verschiedene Klassen von Eisenchelatoren entwickelt. Die vielversprechendsten Kandidaten gehören dabei zur Klasse der Thiosemicarbazone. Dies führte zur klinischen Erprobung von Triapin (3-Aminopyridin-2-carboxaldehyd-thiosemicarbazon), das in klinischer Phase-I- und II-Studien gegen fortgeschrittene Leukämie vielversprechende Aktivität zeigte. Im Gegensatz dazu wurde bei Patienten mit soliden Tumoren keine signifikante Verbesserung beobachtet (weder als Einzel- noch Kombinationstherapie). Die Gründe für die Unwirksamkeit dieses Chemotherapeutikums sind unbekannt. Eine Möglichkeit könnte eine intrinsische oder sehr rasch erworbene Resistenz gegen Triapin sein.
Während dieser Dissertation wurden triapin-resistente Zellmodelle etabliert und ein Resistenzprofil gegenüber verschiedenen klassischen und neuen Chemotherapeutika erstellt. Weiters wurde der zugrunde liegende Resistenzmechanismus erforscht. Ebenfalls wurden Triapinderivate mit strukturellen Modifikationen synthetisiert, um die Struktur-Wirkbeziehung hinsichtlich der Aktivität gegen Krebs zu etablieren. In diesem Zusammenhang wurde weiters die Möglichkeit, ein Triapinresistenz zu umgehen, erforscht.
Die im Rahmen dieser Dissertation erstellten Daten zeigten deutlich, dass die Selektion der menschlichen Darmkrebszelllinie SW480 gegen Triapin zu einer massiven Hochregulierung der Expression von ABCB1, einem Mitglied der ATP-Bindungskassette (ABC) –Transporterfamilie, führt. Dieses Protein ist als sogenanntes Multidrugresistenz bekannt, da seine Überexpression eine Resistenz gegenüber vielen verschiedenen Chemotherapeutika und anderen kleinmolekularen Arzneimittel bedingt. Die Hochregulierung der mRNA sowie eine stark erhöhte Proteinexpression von ABCB1 durch Triapin-Selektion sind auf eine Promotorhypomethylierung anstelle einer häufig beobachteten Genamplifikation zurückzuführen. Obwohl Triapin selbst nur ein schwaches ABCB1-Substrat ist, wurde die stressabhängige Proteinkinase C aktiviert, welche ebenfalls für die Erhöhung von mRNA und Proteinexpression von ABCB1 bekannt ist. Durch die Inhibierung von ABCB1 konnte keine nennenswerte Resensibilisierung der Zellen gegen Triapine erreicht werden. Dies legt nahe, dass die erhöhte ABCB1-Expression nicht den ausschlaggebenden Mechanismus der erworbenen Triapinresistenz darstellt. Interessanterweise, konnten wir eine homozygote Deletion des Phosphodiesterase-4D (PDE4D) Gens in unserem Triapinresistenz-Modell nachweisen. PDE4D ist ein Negativregulator des zyklischen Adenosinmonophosphat-Signalwegs (cAMP). Unsere Daten zeigten interessanterweise, dass nicht die cAMP-PKA-Creb Signalachse an der Resistenz gegen Triapin beteiligt ist, sondern der zweite Effektor von cAMP, nämlich exchange protein activated by cAMP (Epac) aktiviert wird. Epac aktiviert in Folge Ras-related protein 1 (Rap1) und dies führt weiter zu einer veränderten Expression von Integrinen. Die Inhibierung eines dieser Schritte ist ausreichend, um eine signifikante Resensibilisierung der resistenten Zellen gegen Triapin zu induzieren. Zusätzlich wurden acht verschiedene Triapinderivate durch schrittweise Methylierung der Aminogruppen synthetisiert und auf ihren Wirkmechanismus getestet. Die neu synthetisierten Derivate zeigten eine unterschiedliche Wirkungsweise im Vergleich zu Triapin. Ebenfalls konnte mit den dimethylierten Substanzen (entweder an der terminalen Aminogruppe oder am Pyridin-NH2) die erworbenen Triapinresistenz umgangen werden.
Zusammenfassend verdeutlicht diese Arbeit, dass die Induktion einer ABCB1 Überexpression zwar nicht der wichtigste Mediator einer Triapinresistenz ist, aber in der klinischen Praxis, vor allem nach dem Misserfolg von Triapin und bei Kombinationstherapien, berücksichtigt werden sollte. Ein zentraler Resistenzmechanismus von Triapin basiert auf der cAMP-Epac-Rap1-Integrin-Signalachse und erlaubt die Entwicklung von Kombinationsstrategien, um die Unempfindlichkeit von soliden Tumoren gegen Triapin zu überwinden. Die neu synthetisierten Derivate von Triapin zeigten zusätzlich vielversprechende Aktivität in verschiedenen Tumorzelllinien und konnten die Triapinresistenz umgehen. Daher sollten diese Verbindungen für weitere (prä-) klinische Studien als therapeutische Option in Betracht gezogen werden.