Die vorliegende Dissertation widmet sich der Entwicklung und Ausbreitung von Bürgerkraftwerken im Bereich der Windkraft und Photovoltaik in Deutschland und Ãsterreich. Diese werden als eine ,grassroots Innovation' verstanden. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie diese Innovation entstehen und sich in der Folge weiter ausbreiten konnte. Darüber hinaus wird erkundet inwieweit die Verbreitung dieser Innovation einen Prozess der Ermächtigung darstellt und welche Konflikte mit der Ausbreitung von Bürgerkraftwerken einhergehen. Die Dissertation beruht auf 23 leitfadengestützten Expert*innen-Interviews mit Vertreter*innen von Bürgerkraftwerken und Unterstützungsorganisationen, sowie auf einer begleitenden Literaturrecherche.
Grassroots Innovationen können als neue soziotechnische Konfigurationen interpretiert werden, die von zivilgesellschaftlichen Akteuren entwickelt werden. Um deren Entstehung zu erklären, wird auf die Theorie der Ressourcenmobilisierung aus dem Bereich der Theorie sozialer Bewegungen zurückgegriffen. Die Analyse zeigt, dass sechs Ressourcentypen für die Entwicklung von Pionierprojekten relevant waren.
Unterschiede zwischen einzelnen Gruppierungen gibt es hingegen bezüglich ursprünglich verfügbarer Ressourcen und weiterführender Ressourcenmobilisierung.
Die Ausbreitung von Bürgerkraftwerken nimmt verschiedenen Formen an, darunter Replikation, Wachstum einzelner Initiativen, Transfer in andere Länder und Technologiebereiche und das Aufgreifen durch etablierte Akteure. Jede dieser Ausbreitungsformen beruht auf einem anderen Zugang zur Nutzung von Ressourcen und deren Austausch zwischen Akteuren. Jedoch hängen alle Ausbreitungsformen von einer gewissen interpretativen Flexibilität hinsichtlich der Bedeutung von Bürgerkraftwerken ab.
Darüber hinaus wird gezeigt, dass unterschiedliche Ausbreitungsformen auch unterschiedliche Varianten soziotechnischer Konfigurationen gezogen haben.
Der Begriff der Macht wird hier als die Fähigkeit von Akteuren begriffen, auf Ressourcen zugreifen und diese für ihre Ziele einsetzen zu können. Obwohl Bürgerkraftwerksinitiativen in der Tat viele Ressourcen mobilisieren konnten, werden drei Probleme diskutiert, die die Interpretation der Ausbreitung von Bürgerkraftwerken als Ermächtigungsprozess einschränken: Fortwährende Abhängigkeitsverhältnisse, das Problem der Vereinnahmung, sowie die Ermächtigung bereits privilegierter Akteure.
SchlieÃlich werden drei Arten von Konflikten diskutiert, die mit der Verbreitung von Bürger-kraftwerken einhergehen: lokale Konflikte in Bezug auf einzelne Projekte, Konflikte zwischen etablierten Akteuren und Herausforderern im Energiesystem, sowie Konflikte hinsichtlich der definierenden Merkmale von Bürgerkraftwerken. Diese Konflikte können als Wettstreit um Ressourcen oder als Auseinandersetzung um deren Verwendungsweise verstanden werden.
Im Gegensatz zu den meisten bisherigen Analysen von grassroots Innovationen wird hier nicht der Zugang des strategischen Nischenmanagements als Analyserahmen eingesetzt. Es wird argumentiert, dass der gewählte Zugang ein besseres Verständnis dafür erlaubt, wie zivilgesellschaftliche Akteure Platz für neue soziotechnische Konfigurationen schaffen, dass er mehr Raum für die Heterogenität soziotechnischer Konfigurationen und interpretative Flexibilität lässt und die konzeptuelle Anbindung der Analyse von Machtverhältnissen und Konflikten erleichtert.