Spiritualität und ganz konkret spirituelle Übungen (wie Kontemplation oder Meditation) haben eine Bedeutung für (religiöse und theologische) Verstehensprozesse und prägen daher auch die im Zuge dieser Prozesse gewonnenen Erkenntnisse. Kurz gesagt: Spiritualität kommt eine epistemologische Relevanz zu. Das ist das wichtigste Ergebnis des Projekts "Doing Spiritual Theology".
Die ausschließliche Zuordnung von Spiritualität bzw. spirituellen Übungen zum Anwendungsbereich einer religiösen Tradition sowie die Trennung von Spiritualität und Theologie werden damit in Frage gestellt. Spiritualität hat mit Denken zu tun und im (theologischen) Denken hat Spiritualität einen Platz.
In weiterer Folge wird durch dieses Projekt genauer geklärt, wie diese epistemologische Bedeutung spiritueller Praxis aussieht. Die folgenden vier Punkte werden herausgearbeitet:
- Verstehen setzt eine bestimmte Disposition voraus.
- Sowohl Wissen als auch Wahrnehmung können der Täuschung unterliegen.
- Theologisches Wissen ist kein neutrales Wissen, sondern vermittelt eine Perspektive.
- Verstehensprozesse unterliegen der Spannung von Übung und Unverfügbarkeit.
Diese Ergebnisse verändern auch den Blick auf die Offenbarungstheologie. Auch hier gilt es die Verbindung von Inhalt und Prozess neu zu bedenken. Die klassische Lehre von den geistlichen Sinnen kann in diesem Zusammenhang einen angemessenen Platz erhalten. Weiters wirken sich diese Ergebnisse auf die Diskussion rund um die Verortung von Spiritualität im theologisch-akademischen Bereich aus. Ohne die Berechtigung eines Faches, das sich vom Gegenstand der Spiritualität/en her definiert, in Frage zu stellen (Theologie der Spiritualität), lenkt dieses Projekt die Aufmerksamkeit auf eine Stil von Theologie, der sich der genannten Zusammenhänge nicht verschließt, sondern in der Selbstbestimmung darauf basiert.
Das Projekt "Doing Spiritual Theology" basiert auf Zeugnissen aus der christlich- ignatianischen sowie aus der buddhistischen vipassanā Tradition und verbindet methodologisch eine qualitativ-empirische Untersuchung mit einer Literaturarbeit.
Die Ergebnisse dieser Arbeit haben eine Bedeutung für den akademisch-theologischen wie auch für den pastoralen Bereich, die beschriebenen Zusammenhänge betreffen akademische Theologinnen und Theologen ebenso wie Gläubige, die im Alltag ihren Glauben zu verstehen versuchen.