Tiefgründige Massenbewegungen besitzen durch ihre große Masse ein außergewöhnlich hohes Gefahrenpotential. Darum benötigen gerade jene, welche sich im Bereich von Infrastrukturanlagen befinden, erhöhte Aufmerksamkeit und Verständnis über deren Bewegungsverhalten. Obwohl sich die meisten derzeit aktiven, tiefgründigen Massenbewegungen in metamorphen Gesteinen generell nur mit sehr langsamen Geschwindigkeiten bewegen, kann es immer wieder zu Beschleunigungsphasen kommen. Die Ursachen dafür können sehr vielfältig sein, doch gerade aufgrund der Komplexität der Prozesse, die das Deformationsverhalten von Massenbewegungen steuern, werden die relevanten Prozesse in deren Gesamtheit immer noch nicht komplett verstanden. Die Schwierigkeit in einer detaillierten, wissenschaftlichen Untersuchung von tiefgründigen Massenbewegungen liegt vor allem in den sehr kostspieligen Untergrunduntersuchungen, welche für eine genauere Charakterisierung notwendig sind. Zu den wohl wichtigsten Charakteristika gehören die Geometrie und der interne Aufbau einer Massenbewegung und ihres Untergrundes, die mineralogischen und geotechnischen Parameter der relevanten Bereiche sowie die Verteilung und jährliche Schwankung des Grundwassers. Aufgrund eines fehlenden Kenntnisstandes werden diese Kennwerte in vielen Fallbeispielen entweder vernachlässigt oder anhand von stark vereinfachten konzeptuellen Annahmen abgeschätzt.
Genau auf jene, häufig vernachlässigte Eigenschaften von tiefgründigen Massenbewegungen wird in dieser Doktorarbeit eingegangen. Davor werden zusätzlich in einleitenden Kapiteln die lithologischen, strukturgeologischen und hydrogeologischen (v.a. hydrochemischen) Rahmenbedingungen im Bereich von tiefgründigen Massenbewegungen behandelt.
Weitere bearbeitete Themen sind der Aufbau und der Zusammensetzung von Scherzonen, entlang welcher die Hauptbewegung einer Massenbewegung stattfindet. Des Weiteren wird die Problematik von Laborversuchen von Material aus diesen Scherzonen und deren Gemeinsamkeiten mit spröden tektonischen Störungen diskutiert. Basis für diese Untersuchungen waren Oberflächenaufschlüsse, Bohrlochuntersuchungen, aber in erster Linie direkte Untergrundaufschlüsse der Scherzonen aus einem begehbaren Sondierstollen durch eine dieser tiefgründigen Massenbewegungen. Erkenntnisse über deren mechanisches Verhalten, Korngrößenverteilungen und mineralogischen Zusammensetzungen wurden im geotechnischen und mineralogischen Labor gewonnen. Unter anderem wird gezeigt, dass diese Scherzonen in derer Mächtigkeiten und Zusammensetzungen stark variieren können. Ähnlich wie tektonische Störungen besitzen diese eine wenige Zentimeter bis Dezimeter schmale, mechanisch sehr fein zerriebene Kernzone aus Fault Gouge (Störungsletten) in welcher wohl auch die derzeitige Hauptdeformation stattfindet. Umgeben wird diese Zone von meist mehrere Meter mächtige, deutlich gröbere Kakirit Abschnitte, wiederum umgeben von zerlegten Festgestein. Block-in-Matrix Strukturen sind sehr häufig, welche wohl auch einen merklichen Einfluss auf das Deformationsverhalten haben können. In diesen Zonen ist es zu keiner mineralogischen Neubildung gekommen. Jedoch zeigt sich, dass sich die Scherzonen vorwiegend in bereits existierenden, Schichtsilikat-reichen Lagen des heterogenen Festgesteins bildeten.
In einem weiteren thematischen Abschnitt werden die durchgeführten Untergrunduntersuchungen genützt um hydrogeologische Homogenbereiche zu definieren und für diese hydraulisch relevante Parameter zu bestimmen, abzuleiten oder abzuschätzen. Anhand von numerischen Berechnungen ist die daraus resultierende Verteilung des Grundwassers im Bereich um eine tiefgründige Felsgleitung im geklüfteten Gebirge berechnet worden. Diese wurde validiert anhand von konzeptuellen hydrogeologischen Modellen, welche anhand von direkten Messungen des Grundwasserstandes (z.B. in Bohrlöchern) gemacht wurden. In einem weiteren Schritt wurden die Auswirkungen von hydrologischen Randbedingungen eingegangen. Neben der Infiltration von Niederschlagswasser (v.a. durch Schneeschmelze) spielen in Bezug auf tiefgründige Massenbewegungen sehr häufig angrenzende Speicherseen eine entscheidende Rolle, welche in der Regel jährlich auf- und abgestaut werden. Außerdem wurden die Möglichkeiten von nummerischen Berechnungen genutzt, um die Drainagewirkung eines sub-horizontalen Stollens zu untersuchen. Die Untersuchungen machten den großen Einfluss des Zerlegungsgrades einer Massenbewegung deutlich. So zeigte sich, dass dadurch sehr häufig kaum ein hydraulischer Gradient innerhalb einer Massenbewegung entstehen kann. Dies ist zwar prinzipiell günstig für die Stabilität, macht aber eine künstliche Herabsetzung des Porenwasserdruckes durch Drainagen häufig kaum möglich. Die Mächtigkeit und der Zerlegungsgrad der Scherzonen spielen eine weitere wichtige Rolle und können unter Umständen auch bedeutsame hydraulische Barrieren bilden. Durch den hohen Zerlegungsgrad und die Mächtigkeit mancher Massenbewegungen spielen Variationen der Randbedingungen (Stauspiegelschwankungen, Starkregenperioden) im untersuchten Fallbeispiel wohl kaum eine Rolle in Bezug auf das derzeitige Bewegungsverhalten der Massenbewegung.
Als Untersuchungsgebiet wurde hierbei der Bereich um den Gepatsch Speicher, Kaunertal (Österreich) gewählt, um welchen sich mehrere tiefgründige Massenbewegungen befinden. Der Fokus lag auf der Massenbewegung Klasgarten, welche durch Ausbaupläne des Speichers durch die Betreiber TIWAG in letzter Zeit besonders detailliert untersucht wurde. Hervorzuheben ist hierbei ein etwa 700 m langer Sondierstollen, welcher die Massenbewegung mehrfach durchörtert. Da die Hänge um den Gepatsch Speicher bereits vor dessen Bau 1961-1964 geologisch, geotechnisch und geodätisch untersucht wurden, lagen dieser Arbeit zusätzlich umfassende Archivdaten zur Verfügung. Als Vergleichs-Untersuchungsgebiet wurde die Massenbewegung Grube gewählt, welche sich im Lüsenstal, südlich von Gries im Sellraintal (Österreich) und ebenfalls in metamorphen Gesteinen befindet. Diese Massenbewegung wurde zwar nicht durch Bohrungen oder Stollen untersucht, bietet jedoch durch seltene morphologische Begebenheiten, die Möglichkeit, deren Scherzonen durch Oberflächenaufschlüssen zu untersuchen.
Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen einerseits dazu dienen, detaillierte hydromechanisch gekoppelte Modelle zu berechnen, aber auch als Grundlage für andere Fallbeispiele an denen aus finanziellen Gründen kaum Untergrunduntersuchungen durchgeführt werden können.
Die Untersuchungen dieser Arbeit verdeutlichen, wie die Pyrit-führenden, kristallinen Gesteine im Gepatsch Bereich im Kaunertal über weite Bereiche von Karbonaten, Limonit sowie Fe-(Hydr-)Oxide bedeckt sind. Das Grundwasser fließt bevorzugt innerhalb einer flachgründigen Verwitterungszone, dem Saprolith und einer Zone stark verwittertem anstehenden Gebirge. In den Quellwässern und Zuflüssen in die Tunnel wurden in dieser Gegend ungewöhnlich hohe Gehalten an gelösten Stoffen im Wasser registriert (bis zu über 1000 mg/l). Die Wässer sind vorwiegend neutral bis leicht alkalisch. Die δ18O und δ2H Werte deuten darauf hin, dass es zu keiner Fraktionierung des Wassers gekommen ist. Tritium Analysen weisen auf relativ junge Alter des Grundwassers hin. Ca und Mg sind die dominierenden Kationen. SO4 ist mit Abstand das verbreitete Anion. Die gesamte elektrische Leitfähigkeit des Wassers erhöht sich bei zunehmenden Ca, Mg und SO4 Konzentrationen, jedoch nicht mit HCO3 Konzentrationen. Niedrige δ34S deuten darauf hin, dass Sulfat aus den untersuchten Quellwässern aus der Oxidation von Sulfiden stammt. The Lösung von karbonatischen Kluftfüllungen und die Oxidation von weitverteilten, akzessorischen Pyriten werden als Hauptprozesse aufgefasst, welche für die Zusammensetzung der meisten Wässer im Gepatsch Bereich verantwortlich ist vor allem die gravitative Gesteinszerlegen innerhalb der Paragneise generiert laufend frische Oberflächen, sowie die Möglichkeit für andauernden CO2-Austausch mit der Atmosphäre, was in dem beobachteten charakteristischen (Ca+Mg)/SO4 Verhältnis von 1 führt.
In vielen Fällen von Felsgleitungen, wie z.B. bei der Felsgleitung Klasgarten, eine dm – m dicke basale Scherzone besitzt eine heterogene Zusammensetzung und trennt eine chemisch verwitterte (limonitisierte) Gleitmasse vom darunterliegenden anstehenden Gebirge, welches deutlich weniger alterierte Kluftoberflächen aufweist. Der Grund dafür ist, dass in der stark zerlegten Massenbewegung die Luft deutlich besser zirkulieren kann und somit die Wasser-Gesteins-Interaktion angeregt ist. Innerhalb der Scherzonen sind Glimmer und Chlorit in hohen Gehalten vorhanden. Quellfähige Tonminerale wurden in sehr geringen Anteilen nur im Vergleichsbeispiel Felsgleitung Grube. In Scherzonen im Kaunertal wurden keinerlei quellfähige Tonminerale gefunden. Da diese Art von Schichtsilikaten hauptverantwortlich für eine Verringerung in der Scherfestigkeit ist und keine Neubildung dieser Minerale in naher Zukunft erwartet werden kann, kann damit gerechnet werden, dass es aus mineralogischer Sicht zu keiner weiteren Destabilisierung kommen wird. Restreibungswinkel welche anhand von Ringscherversuchen von Scherzonen von mehreren Felsgleitungen ermittelt wurden liegen zwischen 19° und 28°. Die Reduktion des Größtkorns vom in-situ auf den Labormaßstab hat jedoch zu niedrigeren Reibungswinkel-Werten geführt. Es kann angenommen werden, dass die miteinhergehende Veränderung der Mineralzusammensetzung (also auch der Gehalt an Schichtsilikaten) mitverantwortlich für diesen beobachteten Effekt ist.
Die zurzeit kriechende Klasgarten Felsgleitung hat ein geschätztes Volumen von etwa 55 Millionen m³, eine maximale Mächtigkeit von etwa 140 m, eine Oberfläche von etwa 550000 m² und ......