In der vorliegenden Arbeit wurde das komplexe Verhältnis zwischen Fakt und Fiktion anhand des Romans ‚Der Untertan’ von Heinrich Mann dargestellt. Der Roman wurde dabei einer rezeptionsästhetischen und einer fiktionstheoretischen Analyse unterzogen. Die zentrale Frage in dieser Arbeit war es, festzustellen, ob ein Roman eine (historische) Gesellschaft wie die des Deutschen Kaiserreiches abbilden kann und ob diese Darstellung mit einer historiographischen Darstellung vergleichbar ist. Die Rezeptionsanalyse demonstriert, dass der Roman in den jeweiligen Untersuchungszeiträumen äußerst vielfältig, einerseits als ein realistisches Abbild und andererseits als eine unzulässige und/oder beleidigende Satire der Gesellschaft, wahrgenommen wurde. In der fiktionstheoretischen Analyse wurde anhand des Romans aufgezeigt, dass fiktionale und faktuale Narration nicht sinnvoll voneinander abgegrenzt werden kann. Der Roman befindet sich an der Schnittstelle zwischen Fakt und Fiktion, seine literarischen und satirischen Qualitäten sorgen für Nachvollziehbarkeit und damit auch historiographische Qualität. Anstatt von einer Dichotomie zwischen den beiden Polen Fakt und Fiktion auszugehen, sollte der Wert der Narration und der Fiktionalisierung interdisziplinär hervorgehoben werden.