Einleitung: Stress und Stressfolgeerscheinungen stellen in unserer Gesellschaft ein stetig zunehmendes Problem dar. Dies gilt insbesondere für Studierende. Aufgrund der guten Evidenz für die Wirksamkeit der Lichttherapie zur (adjuvanten) Behandlung von affektiven Störungen soll in der vorliegenden Studie erstmals der Einsatz einer morgendlichen, mehrwöchigen Lichttherapie bei Studierenden unter hoher Stressbelastung evaluiert werden.
Methoden: Insgesamt wurden 83 Studierende aus den Studienfächern Medizin, Pharmazie und Jura drei Wochen vor einer großen Prüfung in diese Studie eingeschlossen und über diese drei Wochen täglich, einstündig, unmittelbar nach dem morgendlichen Erwachen entweder tageslicht-weißem, hellen Interventionslicht (5.300 Kelvin; 5.000 Lux am Auge) oder rötlichem, gedimmten Placebo-Licht (2.200 Kelvin; 100 Lux am Auge) exponiert. Zur Erfassung möglicher Lichtwirkungen wurden subjektive Parameter (Stress, Stimmung, Depression, somatische Symptome, Angst, subjektive Schlafqualität und Nebenwirkungen) mit einer Smartphone-App erhoben. Weiters wurde ein spezifischer kognitiver Test freitags, jeweils unmittelbar vor und nach der Lichtexposition, durchgeführt. Die objektive Schlafqualität und die Ruhe-Aktivitätsrhythmik wurden anhand eines kontinuierlich am Handgelenk getragenen Aktimeters erfasst. Die genannten Messgrößen wurden erhoben, um potentielle Lichtwirkungen auf drei zeitlichen Ebenen erfassen zu können: (1) die kumulative Lichtwirkung über drei Wochen, (2) tägliche und wöchentliche Lichteffekte und (3) unmittelbare Wirkungen jeder Lichtexposition.
Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigten, dass eine dreiwöchige Exposition mit hellem Interventionslicht im Vergleich zum gedimmten Placebo-Licht bei stark gestressten Studierenden die subjektiven Anforderungsgefühle reduzierte und die erlebte Selbstwirksamkeit signifikant erhöhte. Das unmittelbare Angsterleben wurde durch die Nutzung der hellen Lichtintervention signifikant reduziert. Des Weiteren zeigte sich durch das helle Interventionslicht ein Trend in Richtung einer signifikanten Reduktion des Gesamtwertes des Depressionserlebens. Unabhängig von der Lichtbedingung zeigten sich nach einer dreiwöchigen Lichtexposition eine signifikante Reduktion des Gesamtwertes des Stresserlebens, der Sorgen, des Anspannungsniveaus, der negativen Stimmung, eine signifikante Verbesserung des Gesamtwertes der subjektiven Schlafqualität, Erhöhung der subjektiven Schlafeffizienz und Reduktion des Schlafmittelkonsums. Unabhängig von der Lichtbedingung zeigten sich unmittelbar nach den Lichtexpositionen eine Erhöhung der positiven und Reduktion der negativen Stimmung. Im Vergleich zum Placebo-Licht führte helles Licht bei den Teilnehmenden zu signifikant mehr Nebenwirkungen. Trotzdem zeigte sich bei hellem Licht insgesamt nur ein geringes Ausmaß an Nebenwirkungen. Die Teilnahmebereitschaft der Studierenden, welche das helle Interventionslicht konsumierten, war vergleichbar mit der Teilnahmebereitschaft der Studierenden, welche das gedimmte Placebo-Licht nutzten.
Diskussion: Bisherige Forschungsergebnisse zeigten die besten Wirksamkeitsnachweise von Lichttherapie bei saisonaler Herbst-/Winterdepression. Aber auch bei nicht-saisonaler Depression, kognitiven Leistungen und Schlafstörungen zeigte die bisherige Literatur positive Effekte durch helle Lichtexpositionen. Die Ergebnisse dieser Feldstudie deuten aber darauf hin, dass die regelmäßige Nutzung von Lichtinterventionen am Morgen in der Prüfungsvorbereitungszeit bei den Studierenden möglicherweise zu einer stabilisierenden Tagesstruktur führte, welche zu den signifikanten Verbesserungen vieler der erhobenen Parameter geführt haben könnte und den eigentlichen Effekten von hellen Lichtexpositionen vorgelagert sein könnten.