Die Cyanobakterien der Gattung Planktothrix sorgen häufig für toxische Algenblüten in Binnengewässern. Im Zuge dieser Algenblütenbildung wird zum einen das Ökosystem beeinträchtigt, z.B. durch Verschlechterung von Lichteinfall oder Sauerstoffzehrung, und zum anderen kann die Nutzung dieser Gewässer für die Gewinnung von Trinkwasser oder zur Erholungssuche für Mensch und Tier schädlich sein wenn bioaktive Peptide oder Toxine produziert werden. Für das Cyanobakterium der Gatt. Planktothrix sind insgesamt sieben Familien von bioaktiven/toxischen Peptiden bekannt, die jeweils zahlreiche Strukturvarianten ausbilden. Dies sind die Aeruginosine, die Anabaenopeptine, die Canopeptoline, die Microcystine, die Microginine, die Microviridine und die Planktocycline. Diese Peptide werden entweder von nichtribosomalen Peptidsynthetasen (NRPS), Polyketidsynthasen (PKS) oder einer Kombination aus NRPS/PKS produziert. Zusätzlich werden auch noch Peptide ribosomal synthetisiert und anschließend modifiziert. Die jeweiligen NRPS/PKS sind durch große Gene kodiert, welche wiederum in Genclustern organisiert sind. Die genetische Basis zur Synthese der bioaktiven Peptide (oder SekundärMetaboliten, SM) kann von Genotyp zu Genotyp sehr unterschiedlich sein, z.B. können die Gene vorhanden sein oder fehlen, oder die Zusammensetzung bzw. die Anordnung der Gene innerhalb der Gencluster variieren. Innerhalb einzelner Regionen kann die Variabilität in der Nukleotidsequenz besonders groß sein. Durch den Erwerb zusätzlicher akzessorischer Enzyme oder einer herabgesetzten Substratspezifität wird eine simultane Produktion verschiedener Peptidstrukturvarianten erreicht. Dadurch wird im Zuge der Ausbildung von Algenblüten typischerweise eine hohe Peptidstrukturvielfalt beobachtet, welche auch von einer breiten Bioaktivität begleitet ist. Wahrscheinlich dienen diese vielfältigen Peptide den Cyanobakterien zur chemischen Abwehr von Fraßfeinden oder Konkurrenten.
Das Ziel vorliegender Doktorarbeit war es, genetische Faktoren zu identifizieren, die die hohe Strukturvariabilität innerhalb der Peptidfamilien, speziell in der Gatt. Planktothrix, begründen. Dazu wurden sowohl auf genetischer als auch auf phänotypischer Ebene Untersuchungen, inkl. chemischanalytischer Methoden zur Identifizierung von Peptiden, durchgeführt. Die Verteilung der Gencluster zur Peptidbiosynthese und verschiedene Rekombinationsereignisse, sowie die resultierenden Peptidstrukturen, wurden bei mehr als 120 Planktothrix Stämmen untersucht. Die Stämme stammen alle aus der Kultursammlung des Forschungsinstituts für Limnologie in Mondsee und wurden ursprünglich aus 40 Gewässern in 17 Ländern von drei Kontinenten (Europa, Nordamerika und Afrika) isoliert. Diese Stämme wurden bereits zuvor mittels MultiLocusSequenzanalyse phylogenetisch und ökologisch eingeordnet. Im Zuge meiner Doktorarbeit habe ich drei OpenAccessPublikationen als Hauptautorin verfasst, welche durch das StandardPeerReviewVerfahren der Naturwissenschaften evaluiert wurden.
Kapitel I (veröffentlicht in Harmful Algae) stellt ein gemeinsam verfasstes Manuskript dar, das den Kenntnisstand zur Phylogenie, Morphologie, der ökophysiologischen Anpassung und der Ökologie der Gatt. Planktothrix zusammenfasst. Weiters wurden die Verteilung der Biosynthesegene sowie die genetische Grundlage und Regulierung der Peptidsynthese innerhalb der Gatt. Planktothrix beschrieben. Die bekannten Arten P. agardhii und P. rubescens bilden die phylogenetischen Linien 1 und 2, die typischerweise in der gemäßigten Klimazone vorkommen und Algenblüten bilden. Diese Genotypen enthielten fünf bis sechs von insgesamt sieben charakterisierten BiosyntheseGenclustern. Im Gegensatz dazu enthielten die Arten P. pseudagardhii, P. mougeotii und P. tepida, welche der basalen Linie 3 zugeordnet wurden, diese Biosynthesegene nicht.
In Kapitel II (veröffentlicht in Frontiers in Microbiology, Section Aquatic Microbiology) wird die Evolution des AnabaenopeptinSyntheseweges bei der Gatt. Planktothrix erläutert. Es wurde beobachtet, dass die apn Gene, die für die AnabaenopeptinSynthese kodieren, teilweise verloren gingen und anschließend durch horizontalen Gentransfer (HGT) wieder erworben wurden. Dies war das erste Beispiel zum Transfer der Synthesegene für eine bestimmte NRPS zwischen zwei verschiedenen blütenbildenden Gattungen von Cyanobakterien. Weiters wurde festgestellt, dass Punktmutationen in der Nukleotidsequenz der ersten Adenylierungsdomäne des NRPS Genclusters mit einer reduzierten Substratspezifität einhergehen und dadurch die Aktivierung verschiedener Substrate (Aminosäuren) ermöglichen. Innerhalb der 124 untersuchten Stämme konnte gezeigt werden, dass diese Strukturvariabilität, z.B. in der exozyklischen Position des Anabaenopeptinmoleküls, mit einzelnen Genotypen korreliert.
Kapitel III (veröffentlicht in Frontiers in Microbiology, Section Evolutionary and Genomic Microbiology) beschreibt die Untersuchungen an den vollständigen Genomen von 13 Planktothrix spp. Stämmen, welche die phylogenetische Vielfalt innerhalb der Gatt. Planktothrix repräsentieren. Es wurde eine ausgeprägte Variation der Chromosomengröße beobachtet, d.h. Stämme der Linie 1 hatten ein kleineres Chromosom als Stämme der Linie 2, während das Chromosom der Stämme der Linie 3 sogar noch wesentlich größer war. Insertionsequenzen (ISElemente) oder Genduplikation hatten nur einen kleinen Anteil an der Variation der Chromosomengröße, wohingegen der Erwerb oder Verlust von Genen einen wesentlich größeren Einfluss auf die Chromosomengröße hatte. Tatsächlich wurden einige Regionen entdeckt die “Genomic Islands” darstellen könnten, welche möglicherweise funktionelle Gencluster kodieren und via HGT ins Chromosom integriert wurden. Insgesamt wurden sechs zuvor beschriebene Gencluster identifiziert und auf dem Chromosom lokalisiert, während lediglich der Gencluster für die Microginin Synthese auf Plasmiden gefunden wurde. Interessanterweise zeigten die SMSyntheseGencluster eine Tendenz zur CoLokalisierung, die mit der Phylogenie übereinstimmte. Im Gegensatz dazu, waren die ISElemente eher zufällig im Chromosom verteilt und nicht vermehrt in der Nachbarschaft von SMGenclustern zu finden. Jedoch konnten vermehrt ISElemente in der Nähe von Bruchstellen für ChromosomRestrukturierungen beobachtet werden, was auf eine mögliche Relevanz für die chromosomale Strukturierung hinweist, die beispielsweise das Zusammenrücken von Genclustern der SMSynthese ermöglichte.
Kapitel IV (publiziert in Marine Drugs) fokusiert sich auf die genetischen Grundlagen, die die außerordentlich hohe Diversität der Aeruginosin Peptidproduktion in Planktothrix begründet. Wiederum wurden die oben genannten 124 Stämme verglichen, die aus unterschiedlichen Klimazonen stammen. Sowohl die Gene zur Biosynthese von Aeruginosin als auch die resultierenden Aeruginosin Peptidstrukturen wurden verglichen und Zusammenhänge zwischen genetischer Basis und struktureller Modifikation untersucht. Zahlreiche unbekannte strukturelle AeruginosinVarianten wurden identifiziert. Dieser Ansatz zeigte, dass die hohe Aeruginosin Strukturvariabilität zu einem großen Teil durch zusätzliche Enzyme wie Sulfotransferasen, Halogenasen oder Methyltransferasen begünstigt wurde, welche durch HGT transferiert wurden. Ähnlich wie der AnabaenopeptinBiosyntheseGencluster wurde auch der AeruginosinSyntheseGencluster in erheblichem Maße von HGT beeinflusst, was die strukturelle Vielfalt erheblich erhöhte. Bemerkenswerterweise zeigte die Evolution der AeruginosinSynthesegene einen Zusammenhang mit der Phylogenie und spielte vermutlich eine Rolle bei der Artbildung oder ökologischen Diversifizierung.
Die Ergebnisse dieser Doktorarbeit veranschaulichen, wie enorm umfangreich das Spektrum an Strukturvarianten im Sekundärmetabolismus innerhalb der Gatt. Planktothrix ist. Einzelne Stämme produzieren zahlreiche Vertreter von mehreren verschiedenen Peptidfamilien simultan und das mittels unterschiedlich genetischer und chemischer Prinzipien. Wenngleich der tatsächliche Grund für die Peptidproduktion noch nicht mit Gewissheit fixiert werden kann, ist doch offensichtlich, dass es für den Organismus evolutionäre Vorteile mit sich bringt, und deshalb der hohe Resourcen und Endergieaufwand, den die Peptidproduktion mit sich bringt, in Kauf genommen wird.