Wintergewitter und Aufwärtsblitze sind zwar selten, stellen aber eine Gefahr für hohe Infrastrukturen wie Windkraftanlagen oder Funktürme dar. Das errechnete Blitzrisiko für solche Anlagen stützt sich unter anderem auf die Blitzdichte. Die gemessene Blitzdichte ist jedoch stark von Abwärtsblitzen und Sommerblitzen geprägt. Die Gewitterforschung konzentriert sich häufig auf die warme Jahreszeit, da hier die meisten Gewitter auftreten. Diese Dissertation untersucht großskalige meteorologische Bedingungen für Blitze in allen Jahreszeiten, für Aufwärtsblitze an hoher Infrastruktur und liefert eine Blitzrekonstruktion für den Ostalpenraum. Dazu werden zwei Datentypen verwendet: meteorologische Reanalysedaten (ERA5) und Blitzbeobachtungen. Letztere stammen entweder aus dem EUCLID-Netzwerk oder von speziellen Messeinrichtungen an den Sendetürmen auf den Bergen Gaisberg und Säntis.
Um die Gewitterbedingungen zwischen den Jahreszeiten und in verschiedenen Regionen besser unterscheiden zu können, werden die meteorologischen Bedingungen für zwei Gewittertypen und mehreren Gewitter-subtypen mithilfe der Clusteranalyse und der Hauptkomponentenanalyse beschrieben. Windfeldgewitter treten hauptsächlich in der kalten Jahreszeit bzw. über maritimen Regionen auf und werden charakterisiert durch erhöhte Windgeschwindigkeiten, große Scherung und starken großräumigen Aufwärtsbewegungen. Windfeldgewitter können in sehr unterschiedlichen Wetterlagen auftreten. Demgegenüber stehen Massefeldgewitter, welche vor allem in der warmen Jahreszeit und über kontinentalen Gebieten auftreten. Massefeldgewitter zeichnen sich durch erhöhte CAPE-Werte, hohe −10°C Isothermenhöhen und insgesamt feuchteren Bedingungen aus. Das Konzept der Gewittertypen ist unabhängig von statischen Schwellwerten und benötigt kein saisonales Kriterium, da die Gewittertypen relativ zu anderen Gewittern in der jeweiligen Region definiert sind.
Diese Dissertation zeigt auch, dass Aufwärtsblitze durch ein Random-Forest-Modell erfolgreich diagnostiziert werden können. Ein entsprechendes Modell wurde an den Sendetürmen des Gaisbergs und des Säntis trainiert und auf ein Gebiet in Norddeutschland angewendet. Dabei zeigt sich unter anderem, was die wichtigsten großräumigen meteorologischen Variablen für Aufwärtsblitze sind: hohe (konvektive) Niederschläge, starke großräumige Vertikalgeschwindigkeiten und leicht erhöhtes CAPE.
Für den Ostalpenraum wurde eine Blitzrekonstruktion für die Zeit vor den systematischen Blitzbeobachtungen erstellt. Sie zeigt, dass es heute insbesondere über dem Hochgebirge deutlich mehr Blitze gibt, dass sich die tageszeitlichen und jahreszeitlichen Zyklen verstärkt haben und dass Gewitter heute bis zu einem Monat früher im Jahr auftreten.
Zusammenfassend ermöglichen die Ergebnisse eine bessere meteorologische Unterscheidung zwischen Gewittern in der kalten und warmen Jahreszeit, indem anstelle statischer Schwellenwerte (wie z.B. Jahreszeit, Monat oder Temperatur) nun eine prozessorientierte Sichtweise mithilfe von Gewittertypen genutzt werden kann. Außerdem ist es jetzt möglich, Blitzrisikokarten für Aufwärtsblitze zu modellieren und zuverlässige Blitzrekonstruktionen zu erstellen.