Im Rahmen des Projekts LUNO (Luchsumsiedlung Nordostschweiz) wurde der Luchs (Lynx lynx L.) ab dem Jahr 2001 im Kanton St. Gallen wieder angesiedelt. Durch eine Reduktion des Reh- (Capreolus capreolus L.) und Gamsbestandes (Rupicapra rupicapra L.) wurde indirekt ein Rückgang des Wildverbisses in der Waldverjüngung angestrebt. Vorliegende Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen diesen trophischen Kaskadenebenen mittels Daten zur Luchsverbreitung, der Entwicklung der Wildverbiss-Intensität sowie zu den Reh- und Gamsbeständen zeigten einen signifikant reduzierenden Effekt des Luchses auf den Rehbestand, welcher kumulativ mit weiteren Faktoren zu wirken schien (Bejagung, Witterungsverhältnisse). Der signifikante Rückgang des Gamsbestandes war aufgrund weiterer Einflussfaktoren (u.a. Krankheiten), des räumlichen Verhaltens der Art sowie bereits vor der Luchsansiedlung abnehmender Bestandesgrössen nicht eindeutig auf den Luchs zurückzuführen. Weiter wurde ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen lokalen Wildbestandesgrössen und Verbissintensitäten dargelegt, wobei die Wildbestandesgrösse nur einer von mehreren auf die Verbissintensität wirkender Faktoren war. Die Verbissintensität der Weisstanne (Abies alba MILL.) nahm nach der Luchsansiedlung in einem untersuchten Teilgebiet signifikant ab. Der Vergleich zwischen Gebieten mit unterschiedlicher Luchsbesiedlungsintensität deutete auf reduzierte Verbissintensitäten in Luchspräsenz-Gebieten hin, allerdings nicht in signifikantem Ausmass. Lokale Experten bekräftigten die vorliegenden Resultate subjektiv. Aufgrund zeitlich-räumlich dynamischer Prozesse im Ökosystem und komplexer Wechselwirkungen handelt es sich bei dieser Studie nur um eine Momentaufnahme. Es wäre aufschlussreich, Untersuchungen im Abstand mehrerer Jahre zu wiederholen. Lokale Lebensraumveränderungen, die Entwicklung des Rothirschbestands (Cervus elaphus L.), sowie ein homogenes (luchsfreies) Referenzgebiet sollten mit einbezogen werden.
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