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Titelaufnahme

Titel
Paradigmatische Fälle? : Methodologische Überlegungen im Rahmen der Supererogationsdebatte
VerfasserNaumann, Katharina
Enthalten in
Zeitschrift für Praktische Philosophie, 2017, 4 (2017), 2, S. 141-168
Erschienen2017
MaterialOnline-Ressource
SpracheDeutsch
DokumenttypAufsatz in einer Zeitschrift
Schlagwörter (DE)Supererogation / moralische Intuitionen / Fallbeispiele / Narration und Ethik
Schlagwörter (EN)Supererogation / moral intuitions / case studies / narration and ethics
ISSN2409-9961
URNurn:nbn:at:at-ubs:3-7323 
DOI10.22613/zfpp/4.2.7 
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Zusammenfassung

Vom biblischen Gleichnis des barmherzigen Samariters über die Stilisierung von Figuren wie Mahatma Gandhi bis hin zur medialen Inszenierung von Spendengalas oder heldenhaften Rettungsaktionen – unsere Kultur- und Zeitgeschichte kennt viele Erzählungen von Personen, die anscheinend mehr tun, als moralisch geboten ist und denen dafür hohe Anerkennung zukommt. Aber auch im Alltag werden wir mit Handlungsweisen konfrontiert, die wir in besonderem Maße lobenswert finden, deren Unterlassung hingegen nicht tadelnswert; man denke etwa an besondere Freundlichkeit, Akte des Verzeihens oder auch ehrenamtliche Leistungen. Diese Phänomene scheinen – wenigstens in westlichen Kulturkreisen – einen wichtigen Teil der moralischen Erfahrungen auszumachen. Um unserer moralischen Praxis an dieser Stelle Rechnung zu tragen, wird oftmals so argumentiert, dass diese Phänomene eine eigenständige Handlungskategorie konstituierten, nämlich die der Supererogation. Unter supererogatorischen Handlungen werden dabei (grob gesagt) solche verstanden, die zwar moralisch gut, nicht jedoch moralisch geboten sind. Dabei ist auffällig, dass die Supererogationsdebatte (sieht man von den Debatten der angewandten Ethik ab) wie kaum eine andere in der Moralphilosophie durch die Erzählung von konkreten Fällen geprägt zu sein scheint, doch was sollen und was können diese in methodischer Hinsicht leisten und was nicht? Es wird zunächst gezeigt, dass diesen mindestens drei Funktionen zukommen: erstens dienen sie der Veranschaulichung und Etablierung des Forschungsgegenstandes; zweitens dienen sie als Bezugspunktes für bestimmte moralische Intuitionen und Praxen und somit gleichsam der intuitiven Unterstützung von (Nicht-)Existenzargumenten einer Kategorie der Supererogation; drittens dienen sie als Reflexionsmediums zur Untersuchung des Konzepts der Supererogation. Der Verweis auf konkrete Fälle unserer moralischen Praxis mag nun zweifelsohne Anlass dazu geben, sich mit den Phänomenen im Rahmen moralphilosophischer Überlegungen auseinanderzusetzen, jedoch ist er für sich betrachtet nicht hinreichend dafür, Supererogation als Handlungskategorie zu etablieren. Die eigentliche Leistungsfähigkeit, so die hier vertretene These, entwickeln die Erzählungen konkreter Fälle mit Blick auf ihren Beitrag zur Konzeptanalyse. Solche narrativen Theorieelemente lassen sich an dieser Stelle nicht ohne weiteres aussparen, da supererogatorische Handlungen am besten als Grenzsituationen des moralischen Handelns zu verstehen sind. Vermittelt über Erzählungen lässt sich daher erst ein umfassender Zugang zu den Phänomenen und insbesondere der Perspektive der Handelnden selbst erlangen.

Abstract

Thinking of the parable of the good Samaritan, the stylization of persons like Mahatma Gandhi, extensive media coverage of heroic actions or charity events, praise for acts of forgiveness or honorary offices – it seems we all know paradigmatic narrations of people “going the second mile” and actions that are commonly assumed to go “beyond the call of duty”. These phenomena seem to form an important part of our moral experience – at least in western societies. Thus, to account for our common sense morality, it is often argued, that these phenomena constitute a distinct ethical category, namely the supererogatory, referring to acts that are, in short, morally good but not required. Strikingly, in comparison to other debates in moral philosophy, the debate on supererogation seems to be largely characterized by the use of narrations of concrete cases of seemingly supererogatory acts. Nevertheless, it is far from clear which methodological functions these narrations are supposed to fulfill, as well as, which functions they can legitimately fulfill. With regard to the former problem I shall argue, that three functions of using such narrations can be distinguished within the debate on supererogation: first of all (and quite uncontroversially) they serve as illustrations, second of all they serve as a reference point for certain moral intuitions and thus as an intuitive support of arguments in favor of the existence of supererogation as a distinct ethical category, and finally they serve as a medium of reflection in the course of a conceptual analysis of supererogation. With regard to the latter problem I shall argue, that pointing to concrete cases of seemingly supererogatory acts most certainly gives us reason to engage philosophically with these phenomena, but is itself not sufficient for defending the existence of supererogation. Once this is defended on its own merits though, the actual strength of these narrations is their contribution to the conceptual analysis, for which purpose they cannot readily be left out, because supererogatory acts can be understood as marginal cases of morality, as phenomena to which one can only gain full access through narrations.

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