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Titelaufnahme

Titel
Gemeinsame Hilfspflichten, Weltarmut und kumulative Handlungen
VerfasserSchwenkenbecher, Anne
Enthalten in
Zeitschrift für Praktische Philosophie, Salzburg, 2017, 4 (2017), 1, S. 123-150
Erschienen2017
MaterialOnline-Ressource
SpracheDeutsch
DokumenttypAufsatz in einer Zeitschrift
Schlagwörter (DE)Weltarmut / Gemeinsame Pflichten / Globale Gerechtigkeit / Kollektives Handeln / Kooperation
Schlagwörter (EN)World Poverty / Joint Duties / Global Justice / Collective Action / Cooperation
ISSN2409-9961
URNurn:nbn:at:at-ubs:3-5305 
DOI10.22613/zfpp/4.1.6 
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Zusammenfassung

Pflichten der Armutsbekämpfung werden häufig als kollektive oder gemeinsame Hilfspflichten dargestellt. Auf den ersten Blick ist diese Idee überzeugend: Da Weltarmut ein Problem ist, das sich nur durch eine gemeinsame Anstrengung erfolgreich lösen lässt, sollte dessen Bekämpfung als kollektive Pflicht vieler angesehen werden. Was aber kann mit einer kollektiven Pflicht genau gemeint sein? Dieser Aufsatz führt eine Unterscheidung von genuinen und kumulativen kollektiven Handlungen ein. Genuin kooperative Handlungen erfordern genau aufeinander abgestimmte Beitragshandlungen, während kumulative Handlungen durch unabhängige Beiträge ausgeführt werden können. Die Pflicht der global Wohlhabenden, Weltarmut zu bekämpfen, ist keine Pflicht, genuin gemeinsame Handlungen zu vollziehen. Stattdessen ist für die meisten Einzelakteure die beste Handlung die Beteiligung an bereits etablierten kumulativen Gemeinschaftshandlungen. Unsere Pflicht, Geld an geeignete Organisationen zu spenden, ist eine Beitragspflicht zu einer kumulativen Handlung. Durch kollektive Handlungen können Schwellen- als auch Steigerungswerte produziert werden. Nur dort, wo Schwellenwerte erzeugt werden, ist die gemeinsame Hilfspflicht nicht distributiv, d.h., sie ist auf der Gruppenebene angesiedelt. Dies trifft auf Pflichten sowohl zu genuinen Gemeinschaftshandlungen als auch zu kumulativen Gemeinschaftshandlungen zu. Ich schlage vor, diese Pflichten stark kollektive Pflichten zu nennen. Wenn jedoch ein Steigerungswert erzeugt werden soll, ist die Lage weniger eindeutig. Hier richtet sich die Höhe der Gesamtleistung ausschließlich nach der Summe des individuell Zumutbaren, ohne dass die Situation selbst klare Erfüllungsparameter vorgibt. Die Höhe der Gesamtpflicht leitet sich von auf der individuellen Ebene bestimmten Beitragspflichten ab. Ich schlage vor, diese Pflichten schwach kollektive Pflichten zu nennen. Daraus ergibt sich, dass wir – die Wohlhabenden – nur im schwachen Sinne eine gemeinsame Pflicht haben, zur Bekämpfung von Weltarmut beizutragen. Die Pflicht ist gemeinsam in dem Sinne, dass kollektive Notwendigkeit besteht, und in dem Sinne, dass wir zu bestehenden gemeinsamen Initiativen beitragen. Unsere Handlungsabsichten sind auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet und unsere Spenden sind als Beitragshandlungen zu einer gemeinsamen Anstrengung intendiert. Aber unsere Pflicht, Weltarmut zu bekämpfen, ist nicht gemeinsam in dem Sinne, dass sie auf der Gruppenebene angesiedelt ist. Wir müssen deren Nichtbefolgung durch andere nicht zwingend ausgleichen, dürfen uns aber auch nicht zurücklehnen, wenn andere mehr beitragen als das, wozu sie zwingend verpflichtet sind.

Abstract

Duties to reduce global poverty are often portrayed as collective duties to assist. At first glance this seems to make sense: since global poverty is a problem that can only be solved by a joint effort, the duty to do so should be considered a collective duty. But what exactly is meant by a ‚joint‘ or ‚collective‘ duty? This paper introduces a distinction between genuinely cooperative and cumulative collective actions. Genuinely cooperative actions require mutually responsive, carefully adjusted contributory actions by cooperating agents, while contributions to cumulative actions are largely independent. The global affluent’s obligation to combat global poverty is not an obligation to perform a genuinely cooperative action. Instead, for most of us the morally best response is to contribute to existing cumulative endeavours. Our obligation to donate money to suitable organisations is a duty to contribute to cumulative action. Collective actions can produce fixed-sum or incremental goods. A collective obligation to produce a fixed-sum good is not distributive, that is, it is an obligation of the plurality of agents as such. This applies to obligations requiring both genuinely cooperative and cumulative actions. I call these kinds of obligations strongly collective obligations. However, for incremental goods the implications are less clear. There, the parameters for moral compliance are not dictated by problem for remedy as such. Rather, the magnitude of the required good is the sum of individually adequate contributions. What is collectively required depends on what is individually required. I propose to call these kinds of obligations weakly collective obligations. It turns out that we – the affluent – have a collective obligation to combat global poverty only in the weak sense. The obligation is collective in the sense that there is joint necessity and that we must contribute to a collective endeavour. Our donations are intended as contributions to a shared goal. But our duty to combat poverty is not a collective duty in the non-distributive, strong sense. This means that we need not necessarily take up the slack left by others or else stop contributing when others do more than their fair share.

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