Aderhautmelanome zählen zu den häufigsten Augentumoren mit einer Inzidenzrate von 1/100.000 pro Jahr. Die meisten Aderhautmelanompatienten profitieren von den verbesserten Strahlentherapietechniken, sodass eine Enukleation nur noch für sehr weit fortgeschrittene Tumorstadien notwendig wird. Hinsichtlich Tumorkontrolle und Nebenwirkungen erzielt die Brachytherapie mit 106Ru Augenapplikatoren exzellente Resultate in gleicher Weise wie Teletherapie mittels Photonen oder Protonen. Vergleicht man den Entwicklungsstand der Augenapplikator-basierten Brachytherapie mit der bildgesteuerten 3-dimensionalen Teletherapie liegt erstere allerdings hinsichtlich Bestrahlungsplanung und Qualitätssicherung hinter Teletherapie.
Derzeit basiert die Bestrahlungsplanung vorwiegend auf simplen 1-dimensionalen Dosisvorschreibungstabellen oder auf überholter Software, die den steigenden Anforderungen bezüglich verbesserter Planungsgenauigkeit, Planungsoptimierung, einer genauen 3D Abbildung von Tumor- und Risikostrukturgeometrie und Postimplantations-Qualitätssicherung nicht mehr genügt. Für die Verbesserung klinischer Ergebnisse sind derartige Weiterentwicklungen hinsichtlich einer Verbesserung der Nebenwirkungen essentiell.
Volumetrische Beschreibungen des Tumors und der Risikostrukturen, sowie die applizierte Dosis sind wesentliche Parameter, um die Abhängigkeit zwischen Dosis und Dosiswirkung zu verstehen. Ein erweitertes Verständnis dieser Beziehung wird somit eine individuellere Behandlung mit 106Ru Augenapplikatoren ermöglichen.
Im Zuge dieser Doktorarbeit wurde eine Forschungsversion eines Behandlungsplanungssystems für die 106Ru basierte Brachytherapie von Aderhautmelanomen entwickelt.
Um Dosis-Volumen Parameter basierend auf tatsächlich applizierten Dosen und einem volumetrischen Augenmodell für jeden Patienten ableiten zu können, wurden 3D Dosisverteilungen für die verschiedenen 106Ru Augenapplikatormodelle berechnet. Die im Monte Carlo Code MCNP6 generierten Nachschlagetabellen wurden mit Daten aus Messungen verglichen. Die Resultate zeigten eine gute Übereinstimmung zwischen errechneten und experimentellen Daten, sowie zu den Referenzwerten. Die resultierende statistische Unsicherheit lag deutlich unter den Angaben des Herstellers. Zusätzlich erlaubten die Filmmessungen eine genauere Beschreibung der 2D Dosisverteilungen über den gesamten Applikator. Die Informationen hieraus wurden genutzt, um Konzepte für Sicherheitssäume zu entwickeln, die auf realistischen dosimetrischen Messunsicherheiten beruhen.
Nach der Validierung der Dosisberechnung des neuen Behandlungsplanungssystems, wurden unterschiedliche Szenarien für Tumorgröße und -position untersucht. Applikatorfehlplatzierungen wurden ebenfalls berücksichtigt, um somit Unsicherheiten durch die chirurgische Platzierung der Plaques zu simulieren. Basierend auf den volumetrischen Dosisverteilungen in diesen unterschiedlichen Szenarien, wurde die Robustheit der Behandlungspläne untersucht. Zudem wurde die Empfindlichkeit von Risikostrukturen in Bezug auf eine ungenaue Positionierung des Applikators und der dosimetrischen Unsicherheit analysiert. Infolgedessen konnten Optimierungsstrategien der Behandlungsplanung entwickelt werden, um das Normalgewebe besser zu schonen.
Im letzten Schritt wurden Patientendaten der Behandlung der vergangenen 20 Jahre mit Brachytherapie gesammelt und hinsichtlich der Dosis-Wirkungs-Beziehung ausgewertet. Die wissenschaftliche Arbeit, die im Rahmen dieser Doktorarbeit durchgeführt wurde, hat einen neuartigen Software-basierten Ansatz für die brachytherapeutische Behandlung von Aderhautmelanomen geschaffen, der sowohl für die klinische Routine, als auch für pro- und retrospektive Studien genutzt werden kann.